Aktion T4
nach dem Ort der zentralen Planungsstelle "Tiergartenstraße 4" in Berlin
Definition
Die Aktion T4 war ein nationalsozialistisches Vernichtungsprogramm zur systematischen Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Rahmen dieser sogenannten Euthanasie über 70.000 Menschen in spezialisierten Tötungsanstalten ermordet.
Hintergrund
Die Aktion T4 war Teil der nationalsozialistischen Ideologie von „rassischer Reinheit“ und „erbgesundem Volkskörper“. Menschen mit geistigen, psychischen oder körperlichen Einschränkungen wurden als „lebensunwert“ bezeichnet. Nachdem seit 1933 bereits Zwangssterilisationen durchgeführt worden waren, wurden Krankenhäuser ab 1939 dazu aufgefordert, Patienten mit bestimmten Diagnosen zu melden.
Gutachter der Planungsstelle T4 entschieden dann auf Grundlage pseudowissenschaftlicher Kriterien und gestützt von massiven Propagandamaßnahmen über die gezielte Tötung. Die Betroffenen wurden anschließend in spezielle Einrichtungen (z.B. in Hadamar, Bernburg, Hartheim und Sonnenstein) verbracht und dort in Gaskammern (Kohlenmonoxid), durch systematisches Verhungern lassen oder Überdosierung von Medikamenten getötet. Die Todesursachen wurden gezielt gefälscht und verschleiert.
Nach öffentlichen Protesten wurde das Programm offiziell eingestellt, jedoch verdeckt in Konzentrationslagern und besetzten Gebieten fortgesetzt. Zahlreiche Ärzte und Pfleger waren an der Aktion beteiligt (u.a. Werner Heyde, Viktor Brack und Paul Nitsche).
Die juristische Aufarbeitung erfolgte nach 1945 nur schleppend. Im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses wurden zwar einige Täter verurteilt, viele beteiligte Ärzte konnten ihre Karrieren aber unbehelligt in der Bundesrepublik fortsetzen.
Literatur
- Proctor, Robert N. Racial Hygiene: Medicine under the Nazis, Harvard University Press, Cambridge, 1988
- Klee, Ernst: Was sie taten – Was sie wurden. Fischer, Frankfurt am Main 1986. ISBN 3-596-24364-5.
- Dr. Harald Jenner, Bundesarchiv, 2003, Geschichte der nationalsozialistischen “Euthanasieverbrechen”
- Ralf Forsbach, 2013, Zeitgeschichte Online, Abwehren, Verschweigen, Aufklären Der Umgang mit den NS-Medizinverbrechen seit 1945
- Schoeps, Karl-Heinz, Psychiatrie und Nationalsozialismus: Die Rolle der deutschen Psychiatrie in der NS-Zeit Springer, Berlin, 2002
- Godau-Schüttke, Klaus-Detlev: Die Heyde/Sawade-Affäre. Wie Juristen und Mediziner den NS-Euthanasieprofessor Heyde nach 1945 deckten und straflos blieben. Nomos, Baden-Baden 1998.
- Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937–1945 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, Beiheft 3). Königshausen & Neumann, Würzburg 1995, ISBN 3-88479-932-0