Fraktur
von lateinisch: frangere - brechen
Synonyme: Knochenbruch, Knochenfraktur, Fractura
Englisch: (bone) fracture
Definition
Unter einer Fraktur versteht man eine komplette oder inkomplette Kontinuitätsunterbrechung des Knochengewebes. Sie führt zu einer Durchtrennung des Knochens unter Bildung zweier oder mehrerer Bruchstücke und ggf. dem Verlust der stabilisierenden Funktion. Das zugehörige Verb lautet frakturieren.
Einteilung
Frakturen können nach dem Verlauf der Frakturlinie, der Anzahl der Knochenfragmente, dem Entstehungsmechanismus der Fraktur und vielen anderen Kriterien eingeteilt werden.
...nach Lokalisation
...nach Verlauf der Fraktur
...nach Form des Frakturspalts
...nach Anzahl der Knochenfragmente
...nach Pathomechanismus
- akute Krafteinwirkung (hochenergetisch): traumatische Fraktur
- Abrissfraktur (Avulsionsfraktur)
- Abscherfraktur
- Berstungsfraktur
- Kompressionsfraktur
- Biegungsfraktur
- akute Krafteinwirkung (niederenergetisch bei gestörter Knochensubstanz): Fragilitätsfraktur
- chronisch repetitive, submaximale Krafteinwirkung: Stressfraktur
- Ermüdungsfraktur: Knochen gesund
- Insuffizienzfraktur: Knochen bereits vorgeschädigt
- Einnahme von Bisphosphonaten oder Denosumab: atypische Femurfraktur
- Spontanfraktur eines Knochens mit fokalem ossärem Tumor: pathologische Fraktur
Fragilitäts- und Insuffizienzfrakturen entstehen beide in einem vorgeschädigten Knochen, erstere jedoch per definitionem durch ein einmaliges Trauma, letztere durch wiederholte Traumen. Häufig ist eine Abgrenzung allein anhand der Anamnese nicht möglich.
...nach Stellung der Frakturenden
- Dislozierte Fraktur
- Nicht-dislozierte Fraktur
Bei einer dislozierten Fraktur sind die Knochenfragmente aus ihrer normalen anatomischen Lage verschoben. Die Frakturdislokation entscheidet unter anderem über Stabilität und Belastbarkeit einer Fraktur.
...nach Ausmaß der Fraktur
- Vollständige (komplette) Fraktur
- Unvollständige (inkomplette) Fraktur
Bei einer vollständigen Fraktur ist die Kortikalis des Knochens komplett durchtrennt, während bei einer unvollständigen Fraktur noch eine Verbindung der Frakturenden besteht.
...nach Gelenkbeteiligung
- intraartikuläre Fraktur
- extraartikuläre Fraktur
...nach Integrität der bedeckenden Weichteile
- Offene Fraktur
- Geschlossene Fraktur
Bei geschlossenen Frakturen sind die Weichteile zwar traumatisiert, aber der Weichteilmantel um die Fraktur ist noch intakt. Bei offenen Frakturen sind die Weichteile durchtrennt, der Knochen liegt frei und der Frakturspalt ist kontaminiert.
Klassifikationen
Neben speziellen Klassifikationen für einzelne Frakturtypen (z.B. Pauwels-Klassifikation, Aitken-Klassifikation, Weber-Klassifikation) werden Frakturen übergreifend nach der AO-Klassifikation eingeteilt. Das Ausmaß der Weichteilverletzung kann durch die Klassifikation nach Tscherne und Oestern dokumentiert werden.
Besonderheiten
Frakturen bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich von Frakturen bei Erwachsenen. Da das Knochenwachstum noch nicht abgeschlossen ist, kann der Knochen bei Krafteinwirkung durch eine elastische Verformung nachgeben: Der Knochen knickt ab, ohne dass das Periost einreißt. Man spricht dann von einer Grünholzfraktur. Ein weiterer Knochenbruch mit intaktem Periost ist die Torusfraktur.
Symptome
Die klinischen Symptome eines Knochenbruchs werden als Frakturzeichen bezeichnet. Man unterscheidet sichere und unsichere Frakturzeichen.
Unsichere Frakturzeichen
- Schmerz
- Schwellung (Ödem)
- Hämatome
- Bewegungseinschränkung
Sichere Frakturzeichen
- Achsenfehlstellung des Knochens (siehe auch: Frakturdislokation)
- Krepitation ("Reibegeräusche")
- pathologische Beweglichkeit
- sichtbare Knochenfragmente bei offener Fraktur
Frakturen sind äußerst schmerzhaft, obwohl die Knochensubstanz keine Schmerzrezeptoren besitzt. Der Schmerz wird durch Nozizeptoren des Periosts und des Endosts vermittelt. Eine weitere Schmerzursache ist die mit der Einblutung und dem begleitenden Weichteilödem verbundene Gewebespannung. Unwillkürliche Muskelaktivitäten, die die Fraktur stabilsieren wollen, können die Schmerzen verstärken.
Diagnose
Neben der klinischen Untersuchung ist die Anfertigung von Röntgenbildern in mehreren Ebenen das wichtigste Diagnoseverfahren.
Komplizierte Frakturen mit Gelenkbeteiligung und/oder multiplen Fragmenten können vor einer operativen Versorgung durch CT-Aufnahmen genauer beurteilt werden. Unter Umständen kann es hilfreich sein, aus den CT-Daten eine 3D-Rekonstruktion zu erstellen.
Benachbarte Band- oder Weichteilstrukturen lassen sich besser mit einem MRT darstellen.
Komplikationen
Eine Fraktur ist eine gravierende Störung der Körperintegrität, die mit zahlreichen Komplikationen verbunden sein kann, z. B.:
- Verletzungen von Nachbarstrukturen (Organe, Nerven, Blutgefäße, Gelenke)
- Blutverlust mit Schock
- Fettembolie
- Infektionen (z. B. Osteomyelitis)
- Nekrosen
- Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
- Kompartmentsyndrom
Bei schlecht ausgeheilten Frakturen kommt es zu keiner knöchernen Durchwachsung des Frakturspalts und es kann sich als Spätkomplikation eine Pseudarthrose bilden.
Therapie
Die Therapie einer Fraktur ist von vielen Faktoren abhängig, unter anderem von ihrem Ausmaß und ihrer Lokalisation. Die genauen Therapien werden deshalb unter dem jeweiligen Frakturtyp besprochen. Hier werden nur allgemeine Prinzipien der Frakturversorgung vorgestellt.
Erstversorgung
Bei der Erstversorgung ist - neben der Prüfung der Vitalfunktionen - die Ruhigstellung und Fixierung der betroffenen Körperpartie die wichtigste Maßnahme. Für die Notfallversorgung von Frakturen kommen unter anderem aufblasbare oder konfektionierbare Schienen (z.B. SAM®-Splint) in Frage.
Konservative Verfahren
- Ruhigstellung mit Gipsverband
- Reposition von geschlossenen Frakturen
- Rehabilitation
Operative Verfahren
Die operative Versorgung von Frakturen wird unter dem Begriff Osteosynthese zusammen gefasst. Zu den Osteosyntheseverfahren zählen u.a.: