Gliom
Englisch: glioma
Definition
Gliome sind eine heterogene Gruppe von Hirntumoren mit Ähnlichkeit zu glialem Gewebe.
Epidemiologie
Gliome machen ca. 30-50 % aller Gehirntumoren aus. Darunter sind:
- ca. 50 % hochmaligne Glioblastome
- ca. 25 % sind Astrozytome
- 5 bis 18 % Oligodendrogliome
- 2 bis 9 % Ependymome
Diese Zahlenangaben stehen unter dem Vorbehalt, dass sich einige Tumorbezeichnungen durch neuere Klassifikationen geändert haben. Die Inzidenz der Gliome ist in den USA und Europa mit 7-11/100.000 Einwohner höher als in Asien mit 2-4/100.000 Einwohner. Männer sind etwas häufiger als Frauen betroffen (1,2 bis 1,9 : 1).
Einteilung
...nach zytogenetischem Ursprung
Gliome sind Gehirntumoren neuroepithelialer Herkunft und werden je nach Zelltyp, dem sie histologisch am meisten ähneln, eingeteilt:
...nach WHO-Klassifikation
Die aktuelle WHO-Klassifikation der ZNS-Tumoren von 2021 unterscheidet zwischen:
- diffusen Gliomen des adulten Typs: Astrozytom, IDH-mutiert, Glioblastom, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert, Oligodendrogliom, IDH-Wildtyp
- diffusen low-grade-Gliomen des pädiatrischen Typs: z.B. Diffuses Astrozytom, MYB- oder MYBL1-alteriert
- diffusen high-grade-Gliomen des pädiatrischen Typs: z.B. Diffuses Mittellinien-Gliom, H3 K27-alteriert
- umschriebenen astrozytischen Tumoren: z.B. Pilozytisches Astrozytom
...nach Malignitätsgrad
Eine weitere Subklassifizierung erfolgt nach älteren Einteilungen anhand der Malignitätsgrade in:
- Grad I: Benigne Gliome: Es sind keine Malignitätszeichen nachweisbar. Nach vollständiger operativer Entfernung ist kein Rezidiv zu erwarten.
- Grad II: Niedrigmaligne Gliome: Kernpolymorphismen sind nachweisbar, Tumorprogression und ein Rezidiv möglich.
- Grad III: Anaplastische Gliome: Sie weisen polymorphe Kerne und eine erhöhte Mitoserate auf, und haben eine höhere Zelldichte als Grad II. Die Raumforderung ist schnellwachsend, neigt zum Rezidivieren und kann in ein Glioblastom übergehen.
- Grad IV: Hochmaligne Gliome: Es sind alle Malignitätszeichen nachweisbar: Kernpolymorphie, hohe Mitoserate, streifenförmige Nekrosen, die dicht von Tumorzellen umgeben sind ("Pseudopalisaden"), sowie pathologische Blutgefäße im Tumor, die vor allem nekrosenassoziiert auftreten und für Tumorblutungen und pathologische Kontrastmittelaufnahme verantwortlich sind.
In der aktuellen WHO-Klassifikation von 2021 hat man das bislang übliche, tumorübergreifende Grading von ZNS-Tumoren aufgegeben. Stattdessen gradet man - so wie in der Onkologie üblich - jeden Tumor separat. Dazu wurden die neuen ZNS-WHO-Grade 1 bis 4 eingeführt. In dieser Logik kann die niedrigstgradige Version eines bestimmten ZNS-Tumors aggressiver sein als eine höhergradige Version eines anderen Tumortyps.
...nach Lokalisation
Je nach Lokalisation unterscheidet man beispielsweise:
Je nach Definition können auch Ependymome, Choroidalplexustumoren und z.B. das Gangliogliom zu den Gliomen gezählt werden.
Diagnostik
Die Erstdiagnostik entspricht der anderer Hirntumoren und dient der Feststellung der Lage, Ausdehnung (inkl. perifokalem Ödem) und Histologie der Raumforderung. Dazu werden eine Bildgebung (CT, MRT) und ggf. eine Hirnbiopsie durchgeführt.
Die genaue Lage und Ausdehnung sind für die neurochirurgische Eingriffsplanung wichtig. Die größte Bedeutung für die Prognose haben jedoch die Histologie und zunehmend auch die molekulargenetischen Eigenschaften des Tumors (Tumorgenom).
Maligne Gliome weisen häufig (in ca. 80 % der Fälle) eine ausgeprägte Inhomogenität auf. Die Zellen im Tumorzentrum haben einen höheren Maliginitätsgrad als in der perifokalen Infiltrationszone, so dass das Grading mittels Biopsie oder Schnellschnittuntersuchung als Mindestgrad angesehen werden muss. Entsprechend ist die Therapieplanung auszurichten.
Therapie
Nach Möglichkeit sollte eine komplette Resektion des Glioms angestrebt werden. Bei niedrigmalignen Gliomen (ZNS-WHO-Grad 1) kann das eine ausreichende Therapie sein. Höhergradigere Gliome erfordern eine anschließende Radiatio des Tumorbetts. Bei hochmalignen Glioblastomen kann ggf. eine zusätzliche Chemotherapie (z.B. mit Temozolomid) erfolgen.
Herausforderungen
Astrozytome sind durch eine inhärente Tumorprogression einerseits und durch eine diffuse Infiltration einzelner Tumorzellen in das umgebende gesunde Hirnparenchym andererseits charakterisiert. Eine vollständige Tumorresektion ist oft unmöglich. Die Rezidivprophylaxe durch antineoplastische Folgemaßnahmen hat daher einen hohen Stellenwert.
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