Felsenbein
von lateinisch: petra - Fels, Stein
Synonyme: Pars petrosa ossis temporalis, Felsenbeinpyramide, "Pyramis" (obsolet)
Englisch: petrous bone, petrous portion of temporal bone
Definition
Das Felsenbein oder lateinisch Pars petrosa ossis temporalis ist ein pyramidenförmiger Knochenabschnitt an der Basis des Schläfenbeins (Os temporale), der das Innenohr enthält.
Nomenklatur
Im Gegensatz zu manchen Tierarten ist das Felsenbein beim Menschen kein eigenständiger Knochen, sondern ein Teil des Schläfenbeins. Daher lautet die korrekte Bezeichnung Pars petrosa ossis temporalis. Die im klinischen Sprachgebrauch verwendeten Bezeichnungen "Os petrosum" oder "Felsenbein" sind daher eigentlich nicht korrekt.
Anatomie
Überblick
Das Felsenbein hat die Grundform einer dreiseitigen Pyramide und befindet sich an der Schädelbasis zwischen dem Os sphenoidale und dem Os occipitale. Seine Spitze ist nach medial und rostral gerichtet.
Makroskopisch lässt sich das Felsenbein in folgende Abschnitte gliedern:
- Felsenbeinspitze (Apex partis petrosae)
- Basis: ist mit der inneren Oberfläche der Pars squamosa und der Pars mastoidea des Schläfenbeins verschmolzen.
- Hinterfläche (Facies posterior)
- Vorderfläche (Facies anterior)
- Unterfläche (Facies inferior)
- Processus mastoideus
Im Inneren des Felsenbeins sind die ossären Strukturen des Innenohrs ausgeformt, das knöcherne Labyrinth. Das Felsenbein liegt zeitlebens als Geflechtknochen vor und wird nicht in Lamellenknochen umgebaut. Die Pars petrosa ossis temporalis ist der härteste Knochen des menschlichen Schädels.
Felsenbeinspitze
Die raue und unebene Felsenbeinspitze fügt sich in den Winkel zwischen dem Hinterrand des großen Keilbeinflügels (Ala major ossis sphenoidalis) und der Pars basilaris des Os occipitale. Sie reicht medial bis zum Keilbeinkörper (Corpus ossis sphenoidalis). Sie umschließt das Orificium internum des Canalis caroticus und formt den posterolateralen Rand des Foramen lacerum, das gemeinsam mit der Ala major ossis sphenoidalis gebildet wird. Hier setzt das Ligamentum sphenopetrosum (Gruber-Band) an.
Hinterfläche
Die Hinterfläche ist Teil der hinteren Schädelgrube. In der Mitte liegt der Porus acusticus internus, der in den Meatus acusticus internus übergeht. Hier treten Nervus facialis und vestibulocochlearis ein. Lateral angrenzend befindet sich der Sulcus sinus sigmoidei. Die Hinterfläche beteiligt sich mit dem Os occipitale an der Ausbildung des Foramen jugulare.
Vorderfläche
Die Vorderfläche bildet mit der Pars squamosa des Schläfenbeins einen Teil des Bodens der mittleren Schädelgrube. Die Oberkante des Felsenbeins (Margo superior partis petrosae) bildet die Grenze zur Hinterfläche bzw. zur hinteren Schädelgrube. Das Dach der Paukenhöhle (Tegmen tympani) trennt Mittelohr von der mittleren Schädelgrube. Bei Entzündungen des Mittelohrs kann es so per continuitatem zur Ausbreitung auf die Dura und das Hirnparenchym kommen. Begünstigend sind ein partielles oder vollständiges, angeborenes oder postoperatives Fehlen des Tegmen tympani.
Processus mastoideus
Der Processus mastoideus hinter der Ohrmuschel kommuniziert über das Antrum mastoideum mit der Paukenhöhle (Cavitas tympani). Nur durch eine dünne knöcherne Lamelle sind die Mastoidzellen vom medial gelegenen Sinus sigmoideus getrennt. Bei Mastoiditis kann es so leicht per continuitatem zu einer septischen Sinusthrombose kommen.
Mittelohr
Das Trommelfell (Membrana tympani) trennt das Mittelohr vom äußeren Gehörgang. Es beinhaltet die Paukenhöhle mit ihren 3 Abschnitten:
- Hypotympanon: unterhalb Trommelfellniveaus
- Mesotympanon: auf Höhe des Trommelfells
- Epitympanon: oberhalb des Trommelfells
In der Paukenhöhle finden sich die drei Gehörknöchelchen: Malleus (Hammer), Incus (Amboss) und Stapes (Steigbügel). Sie überträgt die Schallwellen vom Trommelfell auf das Innenohr.
Die Paukenhöhle ist über die Tuba auditiva mit dem Epipharynx verbunden. Dies dient dem Druckausgleich, stellt jedoch auch einen potentiellen Infektionsweg dar.
Innenohr
Das Innenohr liegt medial des Mittelohres und lateral des Meatus acusticus internus. Hier liegen die Cochlea und das Vestibularorgan mit seinen drei Bogengängen. Der horizontale Bogengang verläuft parallel zur Längsachse des Felsenbeins. Der obere Bogengang steht senkrecht dazu und verläuft parallel zum kontralateralen oberen Bogengang. Der laterale Bogengang verläuft senkrecht zu beiden anderen.
Knochenkanäle
Im Felsenbein verlaufen diverse Knochenkanäle. Dazu zählen unter anderem:
- Canalis caroticus: Enthält die Arteria carotis interna
- Meatus acusticus internus: Führt den Nervus vestibulocochlearis und weitere Strukturen
- Canalis nervi facialis: Führt den Nervus facialis
- Canalis musculotubarius: Enthält den Musculus tensor tympani und die Tuba auditiva
- Canaliculus vestibularis: Für den Ductus endolymphaticus
- Canaliculus tympanicus: Führt den Nervus tympanicus und die Arteria tympanica inferior
- Canaliculi caroticotympanici: Enthält die Arteriae und Nervi caroticotympanici
Normvarianten
Am Felsenbein kommen verschiedene anatomische Varianten vor, die in der Bildgebung und insbesondere bei chirurgischen Eingriffen relevant sind. Dazu gehören unter anderem:
- Pneumatisierungsvarianten des Apex oder der Mastoidzellen, teils asymmetrisch
- Gefäßvarianten wie ein aberranter Verlauf der Arteria carotis interna im Mittelohr, ein hochstehender oder lateralisierter Bulbus venae jugularis oder eine persistierende Arteria stapedia
- Varianten im Verlauf des Nervus facialis einschließlich Dehiszenzen und Lageanomalien
- Raumkonfigurationen wie ein tiefer Sinus tympani oder ein prominenter Canaliculus subarcuatus
- Erweiterungen knöcherner Kanäle wie des Aquaeductus cochleae
Diese Normvarianten können zu operativen Schwierigkeiten führen, pathologische Prozesse begünstigen oder in der Bildgebung pathologische Befunde vortäuschen.
siehe Hauptartikel: Anatomische Normvarianten des Felsenbeins
Klinik
Das Felsenbein kann bei Schädelverletzungen verletzt werden. Bei den Felsenbeinfrakturen handelt sich meist um Berstungsbrüche im Rahmen eines Polytraumas oder Schädel-Hirn-Traumas.