Tumortherapiefelder
Englisch: tumor treating fields
Definition
Tumortherapiefelder, kurz TTFields, sind eine nicht-invasive Therapieoption in der Onkologie, die auf der Anwendung von wechselnden elektrischen Feldern basiert. Ziel ist es, die Zellteilung von Tumorzellen zu stören und ihre Apoptose einzuleiten. Tumortherapiefelder werden derzeit (2025) nur bei bestimmten Tumorarten wie Glioblastomen (WHO Grad 4) und Pleuramesotheliomen eingesetzt..
Wirkmechanismus
Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig geklärt. Tumortherapiefelder basieren auf alternierenden elektrischen Feldern niedriger Intensität (1-3 V/cm) und mittlerer Frequenz (100-300 kHz). Sie werden auf die vom Tumor betroffenen Regionen appliziert. Geladene Proteine und Moleküle in der Zelle, wie beispielsweise α- und β-Tubuline, wirken als elektrische Dipole und richten sich entlang des angelegten elektrischen Feldes aus. Damit stören sie die normale Orientierung der Moleküle und ihre biologische Funktion. Relevant wird dieser Effekt nur während der Mitose, wenn sich der Spindelapparat ausbildet. Durch Hemmung der Mitose soll eine Apoptose der Tumorzelle erreicht werden.
Präklinische Studien weisen darauf hin, dass Tumortherapiefelder darüber hinaus Schäden in Tumorzellen verursachen, indem sie die DNA-Reparatur hemmen bzw. die für sie notwendigen Gene herunterregulieren (z.B. BRCA1 und BRCA2). Außerdem sollen sie eine Autophagie induzieren und antitumorale Immunantworten fördern. [1] [2] [3]
Indikationen
- Glioblastom (WHO Grad 4): seit 2015 für neu diagnostizierte Glioblastome zugelassen und Teil der Standardtherapie in Kombination mit Temozolomid
- Pleuramesotheliom: Seit 2020 zugelassen
Weitere Indikationen befinden sich in der klinischen Erprobung.
Anwendung
Auf den rasierten Schädel werden mittels spezieller hypoallergener Pflaster Elektroden aufgeklebt, die über eine am Körper getragene Batterie kontinuierlich mit Strom versorgt werden. Der Patient ist beweglich kann seinen normalen Alltagstätigkeiten nachgehen. Das TTF-Gerät soll so lange wie möglich (mind. 18 h/d) am Tag getragen und nur wenn nötig, z.B. beim Duschen, abgenommen werden.[4]
Kontraindikationen
- lose Metallteile im Schädel, z.B. Kugeln
- andere elektrische Stimulationsverfahren, z.B. Herzschrittmacher, Hirnstimulator, Rückenmarksstimulator, Nervus-vagus-Stimulation
- ungedeckte Kalottendefekte
- programmierbare Liquorshunts
Nebenwirkungen
Neben den häufig auftretenden Hautreizungen an den Elektrodenstellen können folgende Nebenwirkungen auftreten:
- Psychische Belastung aufgrund ständiger Erinnerung an die Krankheit durch das Tragen des Geräts
- Einschränkungen der Mobilität im Alltag durch das Gerät (Gewicht, Luftgeräusche, Kabel)
- Wärmeentwicklung des Gerätes
- Stigmatisierung durch die sichtbare Elektrodenhaube mit sozialer Isolation
Klinische Studien
Die EF-14-Studie zeigte eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens bei Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom, wenn TTFields zusätzlich zu Temozolomid angewendet wurden (medianes Gesamtüberleben: 20,9 Monate vs. 16 Monate). Real-World-Daten aus der TIGER-Studie bestätigen diese Ergebnisse mit einem medianen Gesamtüberleben von 19,6 Monaten (95% CI: 17,9–22,4) und einem progressionsfreien Überleben von 10,2 Monaten (95% CI: 9,4–11,4)5. Kritiker weisen jedoch auf methodische Schwächen hin, z.B. fehlende Verblindung und hohe Dropout-Raten in den Studien.
Diskussion
TTFields gelten derzeit (2025), neben Operation, Bestrahlung und Chemotherapie, als vierte Säule der Glioblastom-Therapie. Trotz ihrer Wirksamkeit gibt es weiterhin Skepsis, insbesondere aufgrund hoher Kosten und Einschränkungen in der Lebensqualität durch das Tragen des Geräts. Laufende Studien untersuchen die Kombination von TTFields mit Immuntherapien und anderen Modalitäten, um die Effektivität weiter zu verbessern.
TTFields werden in den aktuellen Leitlinien zur Behandlung von Gliomen (AWMF S2k-Leitlinie 030-099) [5] als Therapieoption empfohlen und sind auch in internationalen Leitlinien sowie in Empfehlungen zur Therapie des malignen Pleuramesothelioms aufgeführt.[6]
Der Hersteller führt aktuell (2025) weiterhin zahlreiche klinische Studien durch, die sowohl präklinische als auch klinische Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von TTFields liefern sollen. Die Ergebnisse dieser Studien, wie beispielsweise die EF-14-Studie oder die TIGER-Studie, werden häufig als Grundlage für die Bewertung der Therapie zitiert und sind auch in diesem Artikel als Quellen angeführt. Kritiker bemängeln potenzielle Interessenskonflikte, da viele dieser Studien vom Hersteller gesponsert wurden. Die Validiät der Ergebnisse wird allerdings auch durch einige unabhängige Forschungsarbeiten gestützt.
Quellen
- ↑ Shadi Shams, Chirag B Patel, Anti-cancer mechanisms of action of therapeutic alternating electric fields (tumor treating fields [TTFields]), Journal of Molecular Cell Biology, Volume 14, Issue 8, August 2022,
- ↑ Karanam NK et al. Tumor-treating fields elicit a conditional vulnerability to ionizing radiation in non-small cell lung cancer cells. Cell Death Dis. 2017;8
- ↑ Deutsche Hirntumorhilfe. Erfahrungen mit Tumortherapiefeldern. Deutsche Hirntumorhilfe.,abgerufen am 17.04.2025
- ↑ Moser JC et al. The Mechanisms of Action of Tumor Treating Fields. Cancer Research. 2022
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Gliome – Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF-Register Nr. 030-099, 2021.,abgerufen am 17.04.2025
- ↑ Metzenmacher M. et al. Pleuramesotheliom – Leitlinie. Onkopedia, 2023.,abgerufen am 17.04.2025