Thymian
Synonyme: Gartenthymian, Gemeiner Thymian, Römischer Thymian
Englisch: thyme, garden thyme
Definition
Der Echte Thymian, lateinisch Thymus vulgaris, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) und zählt zu den wichtigsten traditionellen Arzneipflanzen des Mittelmeerraums. Die getrockneten, blühenden Sprosse werden als Thymi herba arzneilich genutzt. Die Wirksamkeit beruht auf einem komplexen Gemisch sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe.
Botanik
Thymian ist ein ausdauernder, aromatischer Halbstrauch mit Wuchshöhen zwischen 10 und 40 cm. Die Pflanzen sind niederliegend bis aufsteigend verzweigt, verholzen an der Basis und besitzen vierkantige Stängel. Die Blätter sind klein (4–10 mm lang), schmal, ganzrandig, unterseits graufilzig behaart und an den Rändern meist nach unten eingerollt. Die Blüten stehen in köpfchen- oder ährenförmigen Scheinquirlen und erscheinen in Mitteleuropa gewöhnlich von Mai bis September. Sie sind rosa bis violett und zeichnen sich durch einen charakteristischen, aromatischen Geruch aus, der auf das reichlich vorhandene ätherische Öl zurückzuführen ist.
Thymian ist in den trocken-warmen Regionen des westlichen Mittelmeergebietes von Spanien bis Süditalien und Griechenland heimisch. Die Pflanze bevorzugt kalkreiche, durchlässige Böden in vollsonnigen Lagen und wird heute in vielen europäischen Ländern kultiviert, insbesondere in Frankreich, Spanien und Deutschland. Ökologisch ist Thymus vulgaris an xerotherme Standorte angepasst und zeigt eine hohe Trockenresistenz.
Inhaltsstoffe
Das ätherische Öl stellt die Hauptwirkstofffraktion dar, wobei Thymol (30–50 %) und Carvacrol (bis 10 %) als zentrale Monoterpene für die antimikrobielle, sekretolytische, broncholytische und expektorierende Wirkung verantwortlich sind. Weitere relevante Bestandteile sind p-Cymol, γ-Terpinen, Linalool und Borneol.
Die Lamiaceengerbstoffe (6–12 %), insbesondere Rosmarinsäure, besitzen ausgeprägte antiphlogistische und antioxidative Eigenschaften.
Flavonoide wie Apigenin, Luteolin und Thymonin zeigen ebenso entzündungshemmende und antioxidative Effekte und sollen zum Schutz des Schleimhautgewebes beitragen.
Weitere Inhaltsstoffe, darunter Phenolcarbonsäuren (z.B. Kaffeesäurederivate), Triterpene und Saponine, verstärken die mukolytische und sekretomotorische Wirkung.
Wirkprofil
Der therapeutische Effekt bei Atemwegserkrankungen ergibt sich aus der additiven Wirkung: Förderung der Schleimlösung, Entspannung der Bronchialmuskulatur, Hemmung pathogener Mikroorganismen und Minderung lokaler Entzündungen. Pharmakologische Daten und klinische Studien belegen insbesondere die Wirksamkeit bei Husten im Rahmen von Erkältungskrankheiten.
Arzneidrogen
Die arzneilich genutzte Droge Thymi herba (Thymian, Ph. Eur.) besteht aus den getrockneten, blühenden Triebspitzen von Thymus vulgaris oder Thymus zygis. Die Qualitätsanforderungen für Thymian und Thymianöl vom Thymoltyp (Thymi typo thymolo aetheroleum) sind im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) definiert. Thymianöl wird durch Wasserdampfdestillation aus der Droge gewonnen. Zusätzlich ist die Qualität des Thymianfluidextrakts (Thymi extractum fluidum) im Deutschen Arzneibuch (DAB) und die Qualität der Thymiantinktur (Thymi tinctura) im Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) festgelegt. Für Thymiankraut und Thymianöl bestehen Monographien der HMPC, WHO und der Kommission E.
Zubereitungen
Thymian wird in verschiedenen galenischen Zubereitungen eingesetzt:
- Thymiankraut als Aufguss (Tee) oder Bestandteil von Hustentees
- Fluid-, Trocken- und Dickextrakte in Hustensäften, Tropfen, Tabletten oder Kapseln
- Ätherisches Öl in Inhalationen, Bädern, Einreibungen, Salben oder Gurgellösungen
- Kombinationspräparate mit anderen Expektoranzien wie Primelwurzel oder Efeu
Die Dosierung erfolgt nach den Monographien bzw. Fachinformationen der Fertigarzneimittel. Für den Teeaufguss werden üblicherweise 1–2 g Droge mit 150 ml heißem Wasser übergossen und nach 10 Minuten abgeseiht. Die Standarddosierung für Erwachsene beträgt mehrmals täglich eine Tasse frisch bereiteten Thymiantees.
Indikationen
Äußere Anwendung
Thymianöl wird äußerlich in Form von Einreibungen, Bädern und Inhalationen eingesetzt. Es lindert vorrangig die Symptome von Erkältungskrankheiten und Muskelverspannungen. Aufgrund seiner antimikrobiellen und spasmolytischen Wirkung wird es zudem bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut angewendet, beispielsweise in Form von Mundspülungen oder Gurgellösungen. Die ESCOP empfiehlt Thymianpräparate zur unterstützenden Behandlung von Entzündungen der Mundschleimhaut und bei Mundgeruch. Das HMPC stuft Thymianöl als traditionelles pflanzliches Arzneimittel ein; eine eigene Monographie der Kommission E für Thymianöl existiert nicht.
Innere Anwendung
Thymiankraut ist als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (HMPC) anerkannt. Die Hauptindikation ist die Behandlung von produktivem Husten bei akuten Atemwegsinfekten, insbesondere bei Katarrhen der oberen Luftwege und Bronchitis. Seine Wirksamkeit ist durch pharmakologische Untersuchungen und eine langjährige klinische Erfahrung belegt und in Monographien von ESCOP und der Kommission E dokumentiert. Die ESCOP führt zudem die unterstützende Anwendung bei Keuchhusten an. Traditionell werden Zubereitungen aus Thymiankraut und -öl außerdem bei leichten Verdauungsbeschwerden und zur Appetitanregung eingesetzt.
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Thymian und seine Zubereitungen sind in therapeutischer Dosierung gut verträglich. Selten treten Überempfindlichkeitsreaktionen auf, darunter Hautreaktionen, Urtikaria oder Atemnot. Hochkonzentriertes ätherisches Öl kann bei Säuglingen und Kleinkindern (< 2 Jahren) einen Glottiskrampf mit Atemnot auslösen. In seltenen Fällen wurden gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen) berichtet. Kontraindiziert ist Thymianöl bei bestehenden Asthmaerkrankungen, Keuchhusten oder Bronchospasmen. Für die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine ausreichenden Sicherheitsdaten vor. Die Anwendung bei Kindern unter 4 Jahren sollte auf standardisierte Teepräparate beschränkt werden; Thymianöl ist hier kontraindiziert.
Verwechslungen
Verwechslungen können innerhalb der Gattung Thymus, z.B. mit Thymus zygis (auch als Rohstoff zulässig) oder Thymus serpyllum (Sand-Thymian), auftreten. Charakteristisch für Thymus vulgaris sind das spezifische ätherische Ölprofil und die Morphologie der Blätter. Eine Verwechslung mit anderen Lippenblütlern (z. B. Majoran, Oregano) ist aufgrund der aromatischen und morphologischen Merkmale eher selten.
Literatur
- Barnes, J., Anderson, L. A., & Phillipson, J. D. (2007). Herbal Medicines (3rd ed.). Pharmaceutical Press.
- Hänsel, R., & Sticher, O. (2010). Pharmakognosie – Phytopharmazie (9. Aufl.). Springer.
- Melzig, M. F. (2023). Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen (3. Aufl.). Springer.
- Schilcher, H. (Hrsg.) (2016). Leitfaden Phytotherapie (5. Aufl.). Urban & Fischer.
- Teuscher, E., Lindequist, U., & Melzig, M. F. (2020). Biogene Arzneimittel: Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie (8. Aufl.). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
- van Wyk, B.-E., & Wink, M. (2017). Medicinal Plants of the World (2nd ed.). CABI.
- Wiesenauer, M. (2024). PhytoPraxis (8. Aufl.). Springer.