Stimuluskontrolle
Synonym: Reizkontrolle
Englisch: stimulus control
Definition
Stimuluskontrolle beschreibt in der Lernpsychologie und Verhaltenstherapie den Zustand, in dem ein bestimmtes Verhalten systematisch in Abhängigkeit von vorangehenden Reizen auftritt. Entscheidend ist, dass das Verhalten nicht zufällig gezeigt, sondern durch sogenannte diskriminative Stimuli angekündigt wird. Diese Reize signalisieren, dass ein spezifisches Verhalten in einer Situation verstärkt wird und sich daher mit der Zeit genau unter diesen Bedingungen vermehrt zeigt.
Hintergrund
Das Konzept geht auf die experimentelle Verhaltensanalyse zurück und wurde maßgeblich durch B. F. Skinner geprägt. Im Rahmen der operanten Konditionierung entsteht Stimuluskontrolle, wenn ein Organismus lernt, welche Reize anzeigen, dass ein bestimmtes Verhalten zu einer Konsequenz führt. Wenn Verstärkung wiederholt nur in Anwesenheit eines spezifischen Stimulus erfolgt, differenziert der Organismus zunehmend zwischen Situationen, in denen Verhalten erfolgversprechend ist, und solchen, in denen keine Verstärkung zu erwarten ist. Aus diesem Prozess ergeben sich zwei zentrale Mechanismen: Diskrimination und Generalisation. Diskrimination beschreibt die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Reizbedingungen zu unterscheiden, während Generalisation dafür sorgt, dass Verhalten auch in ähnlichen Kontexten auftreten kann.
Prinzipien
Stimuluskontrolle entsteht im Verlauf eines Lernprozesses, in dem die Kontingenz zwischen Reiz, Verhalten und Konsequenz wiederholt aufgebaut wird. Im Mittelpunkt stehen:
- Diskriminative Stimuli (SD): Reize, die anzeigen, dass ein bestimmtes Verhalten verstärkt wird
- S-Δ-Reize: Bedingungen, unter denen keine Verstärkung erfolgt
- Konsistente Verstärkungshistorien: Verhalten wird nur in Anwesenheit bestimmter Stimuli belohnt, wodurch sich eine zuverlässige Kopplung ausbildet
Die Stärke der Stimuluskontrolle zeigt sich daran, wie präzise ein Verhalten an das Auftreten bestimmter Reizbedingungen gebunden ist und wie gut unerwünschte Generalisation verhindert werden kann.
Klinische Relevanz
In der Verhaltenstherapie wird Stimuluskontrolle genutzt, um dysfunktionale Muster zu verändern und adaptive Verhaltensweisen zu etablieren. Die Intervention basiert auf der Annahme, dass problematisches Verhalten häufig durch ungünstige Reizbedingungen ausgelöst wird und daher durch Modifikation dieser Bedingungen veränderbar ist. Besonders etabliert ist der Einsatz in der Behandlung von Schlafstörungen, wo Patientinnen und Patienten lernen, das Bett ausschließlich mit Schlaf und nicht mit wachem Grübeln, Essen oder Medienkonsum zu verknüpfen. Ähnlich strukturiert erfolgt die Anwendung in der Suchttherapie: Auslösende Reize wie bestimmte Orte, Personen oder Tageszeiten werden identifiziert, analysiert und gezielt verändert. Auch in der Adipositas- und Essstörungsbehandlung spielt Stimuluskontrolle eine Rolle, indem feste Essenssituationen definiert und ablenkende oder konditionierte Fehlreize reduziert werden. In der Angsttherapie wiederum wird Stimuluskontrolle zur systematischen Exposition genutzt, indem relevante Reizbedingungen schrittweise aufgesucht und Bewältigungserfahrungen etabliert werden. Strukturierende Hinweisreize kommen zudem in der ADHS-Behandlung zum Einsatz, um zielgerichtetes Handeln zu unterstützen.
Therapeutisches Vorgehen
Das therapeutische Vorgehen umfasst üblicherweise mehrere Schritte, die in einem kontinuierlichen Prozess miteinander verzahnt sind. Zunächst erfolgt eine systematische Analyse der Stimulusbedingungen, um zu verstehen, welche Reize das Problemverhalten auslösen oder aufrechterhalten. Darauf aufbauend werden Reizbedingungen gezielt verändert. Dabei kann sowohl das Entfernen oder Abschwächen ungünstiger Reize als auch das Einführen neuer Hinweisreize sinnvoll sein.
Im Rahmen des Verhaltensaufbaus wird erwünschtes Verhalten in Anwesenheit definierter Stimuli gezielt verstärkt, sodass sich allmählich eine belastbare Kontingenz herausbildet. Abschließend werden Generalisation und Stabilisierung angestrebt, sodass das neu gelernte Verhalten auch in lebensnahen Situationen zuverlässig verfügbar bleibt.
Bedeutung
Stimuluskontrolle zählt zu den fundamentalen Mechanismen verhaltenstherapeutischer Interventionen und erklärt zahlreiche Veränderungsprozesse im klinischen Alltag. Da viele dysfunktionale Verhaltensweisen an bestimmte Auslösereize gebunden sind, ermöglicht die gezielte Modifikation dieser Reizbedingungen eine nachhaltige Verhaltensänderung. Zahlreiche manualisierte Programme, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich, basieren auf diesem Prinzip.
Quellen
- Skinner. Science and human behavior. The B.F. Skinner Foundation. 53-7045. 2014
- Ferster und Skinner. Schedules of reinforcement. Appleton-Century-Crofts. 1997
- Linden und Hautzinger. (Hrsg.). Verhaltenstherapiemanual. 7. Aufl. Springer Berlin Heidelberg. 2011