Soziale Erwünschtheit
Synonym: soziale Erwünschtheitsverzerrung
Englisch: social desirability, social desirability bias
Definition
Soziale Erwünschtheit bezeichnet die Tendenz von Personen, in Befragungs- oder Testsituationen Antworten zu geben, die sozial akzeptiert und normkonform sind. Diese Antworten maskieren dann ihre tatsächlichen Einstellungen, Gefühle oder Verhaltensweisen. Soziale Erwünschtheit ist eine wichtige Quelle von Antwortverzerrungen und beeinträchtigt vor allem die Validität von Selbstbeurteilungen.
Hintergrund
Das Antwortverhalten wird durch soziale Normen, Bewertungserwartungen und den Wunsch nach einem positiven Selbstbild beeinflusst. Soziale Erwünschtheit tritt vor allem in Situationen auf, in denen eine soziale Bewertung der Angaben erwartet wird, etwa in klinischen, eignungsdiagnostischen oder forensischen Kontexten. Sie kann sowohl situativ ausgelöst als auch als relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal vorhanden sein und ist dabei kultur- und kontextabhängig, da sich soziale Normen zwischen Gruppen und Gesellschaften unterscheiden.
Formen
In der Persönlichkeitspsychologie werden zwei Komponenten unterschieden. Die Selbsttäuschung beschreibt eine unbewusste, positiv verzerrte Selbstwahrnehmung, während das Impression-Management eine bewusste Anpassung der Antworten mit dem Ziel einer günstigen Selbstdarstellung umfasst.
Relevanz
Soziale Erwünschtheit beeinflusst insbesondere Selbstbeurteilungsverfahren wie Fragebögen und Interviews. Sie führt häufig dazu, dass sozial unerwünschte Verhaltensweisen unterberichtet und sozial erwünschte Eigenschaften überbetont werden.
Erfassung
Zur Erkennung sozial erwünschten Antwortverhaltens werden spezielle Skalen eingesetzt, etwa die Marlowe-Crowne Social Desirability Scale (MC–SDS) oder das Balanced Inventory of Desirable Responding (BIDR), das zwischen Selbsttäuschung und Impression Management differenziert. Sie dienen der Abschätzung und gegebenenfalls statistischen Kontrolle von Antwortverzerrungen.
Reduktion sozialer Erwünschtheit
Zur Minimierung sozial erwünschter Antworttendenzen werden unter anderem Anonymität und Vertraulichkeit zugesichert, Items neutral formuliert und indirekte Befragungstechniken eingesetzt. Ergänzend können Fremdbeurteilungen, Verhaltensmaße oder implizite Verfahren herangezogen werden, insbesondere bei sensiblen Fragestellungen.
Abgrenzung
Soziale Erwünschtheit ist abzugrenzen von der Akquieszenz als generelle Zustimmungstendenz sowie von bewusster Simulation oder Dissimulation, wie sie etwa in forensischen Kontexten auftreten kann. Im Unterschied dazu beruht soziale Erwünschtheit primär auf Normorientierung und Selbstwerterhalt, nicht auf gezielter Täuschung.
Literatur
- Paulhus, Two-component models of socially desirable responding, Journal of Personality and Social Psychology, 46(3), 598–609 (1984)
- Moosbrugger & Kelava (Hrsg.), Testtheorie und Fragebogenkonstruktion (3. Aufl.), Springer (2020)