Psychotizismus
von altgriechisch: ψυχή (psychḗ) - Seele und -τiκός (-tikós) - betreffend
Definition
Der Begriff Psychotizismus bezeichnet ein Persönlichkeitsmerkmal, das im Rahmen der Persönlichkeitspsychologie – insbesondere nach dem Modell von Hans J. Eysenck – als eine der drei grundlegenden Dimensionen nach dem PEN-Modell (Psychotizismus, Extraversion, Neurotizismus) beschrieben wird. Psychotizismus beschreibt die Neigung zu ungewöhnlichem, unkonventionellem und mitunter antisozialem Verhalten. Er gilt nicht als klinischer Begriff im Sinne einer Psychose, sondern als Kontinuumsmerkmal zwischen normalem und abweichendem Verhalten.
Hintergrund
Eysenck postulierte, dass Psychotizismus auf biologischen Grundlagen (z. B. dopaminerge Aktivität) beruht und eine genetische Komponente aufweist. Personen mit hohen Ausprägungen zeigen häufig Merkmale wie Kälte, Aggressivität, Egozentrik, Impulsivität, geringe Empathie und eine Tendenz zu unkonventionellem Denken. Geringe Werte sind dagegen mit Anpassungsfähigkeit, Empathie und sozialer Verträglichkeit assoziiert.
Psychotizismus steht in Eysencks Theorie in Zusammenhang mit der Vulnerabilität für psychotische Störungen, insbesondere bei Kombination mit hohen Neurotizismuswerten und starker Belastung. Allerdings betonte Eysenck selbst, dass hohe Werte keineswegs zwangsläufig eine psychische Erkrankung implizieren, sondern eher ein Risikoprofil oder Persönlichkeitsstil widerspiegeln.
Abgrenzung
Psychotizismus darf nicht mit Psychose oder Psychotizität im klinischen Sinn verwechselt werden. Während Psychosen psychopathologische Zustände mit Realitätsverlust beschreiben, handelt es sich beim Psychotizismus um ein deskriptives Persönlichkeitsmerkmal in der allgemeinen Bevölkerung.
In moderneren Persönlichkeitsmodellen (z. B. Big Five) findet sich eine teilweise Entsprechung in den Faktoren „Offenheit für Erfahrungen“ und „Verträglichkeit“, was konzeptuell dem Gegenpol zu Psychotizismus im Sinne sozialer Desintegration entspricht.
Diagnostik
Zur Erfassung des Psychotizismus diente vor allem der Eysenck Personality Questionnaire (EPQ) und dessen Nachfolgeversionen (EPQ-R). Der Psychotizismus-Index wird dort über eine Reihe von Aussagen operationalisiert, die Einstellungen, moralische Haltungen und soziale Normorientierung betreffen. Die Skala gilt als reliabel, wurde aber wegen Überschneidungen mit soziokulturellen Faktoren und moralischen Wertvorstellungen auch kritisch diskutiert.
Quellen
- Eysenck, H. J., & Eysenck, S. B. G. (1975). Manual of the Eysenck Personality Questionnaire (junior and adult). London: Hodder and Stoughton. PDF
- Eysenck, H. J. (1992). The definition and measurement of psychoticism. Personality and Individual Differences, 13(7), 757–785. https://doi.org/10.1016/0191-8869(92)90050-Y
- McCrae, R. R., & Costa, P. T. (1987). Validation of the five-factor model of personality across instruments and observers. Journal of Personality and Social Psychology, 52(1), 81–90. https://doi.org/10.1037/0022-3514.52.1.81