Noyes-Whitney-Gleichung
nach den Chemikern Arthur Amos Noyes (1866-1936) und Willis Rodney Whitney (1868-1958)
Synonyme: Noyes-Whitney-Gesetz, Gleichung nach Noyes-Whitney
Englisch: Noyes-Whitney-equation
Definition
Die Noyes-Whitney-Gleichung beschreibt die Lösungsgeschwindigkeit eines Feststoffes in einer Flüssigkeit. Sie findet in der pharmazeutischen Forschung bei der Entwicklung neuer Arzneimittel Anwendung.
Grundlagen
Die Noyes-Whitney-Gleichung beruht auf dem gleichnamigen Modell, welches das Auflösen eines Feststoffes in zwei Schritte unterteilt:
- Die Flüssigkeit greift die Oberfläche des Feststoffes an und löst Moleküle daraus. Direkt über der Oberfläche bildet sich eine Schicht, in der eine gesättigte Lösung vorliegt ("ruhende Schicht").
- Zwischen der ruhenden Schicht und der restlichen Flüssigkeit liegt ein Konzentrationsgefälle vor. Deshalb kommt es zur Diffusion der gelösten Feststoffmoleküle in den Rest der Flüssigkeit.
Der Lösevorgang besteht also aus den zwei Schritten Lösung und Diffusion. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Noyes-Whitney-Gleichung:
wobei:
- m = Restmasse des Feststoffs, der noch nicht in Lösung gegangen ist
- dm/dt = Auflösungsgeschwindigkeit des Feststoffes (Massenabnahme mit der Zeit)
- D = Diffusionskoeffizient
A = Kontaktfläche zwischen Feststoff und Flüssigkeit (Oberfläche des Feststoffs) - cs = Sättigungskonzentration
- c = momentane Konzentration des Feststoffes in der Flüssigkeit
- (cs - c) = Konzentrationsgradient zwischen ruhender Schicht und restlicher Flüssigkeit
- h = Dicke der ruhenden Schicht
Auflösungsgeschwindigkeit
Nach der Noyes-Whitney-Gleichung kann die Geschwindigkeit der Auflösung durch folgende Mechanismen beschleunigt werden:
- Beeinflussung der Sättigungslöslichkeit: Je höher die Sättigungslöslichkeit ist, umso größer ist (cs - c) – somit steigt die Lösungsgeschwindigkeit. Gut lösliche Stoffe lösen sich schneller. Die Löslichkeit lässt sich durch den pH-Wert, die Wahl eines Salzes und das Lösungsmittel beeinflussen.
- Rühren: Durch Rühren wird die Dicke der ruhenden Schicht verkleinert – deshalb steigt die Lösungsgeschwindigkeit
- Zerkleinerung des Feststoffes: Je größer die Oberfläche des Feststoffes, umso schneller ist die Auflösung. Deshalb werden Arzneistoffe vor dem Auflösen häufig zerkleinert oder sogar mikronisiert.
- Temperatur: Der Diffusionskoeffizient ist temperaturabhängig. Je höher die Temperatur ist, umso höher ist der Diffusionskoeffizient und somit auch die Lösungsgeschwindigkeit.
Anwendung
Die Noyes-Whitney-Gleichung kann verwendet werden, um die Zeit abzuschätzen, in der sich ein Feststoff löst. Dies ist in der pharmazeutischen Industrie relevant, wenn große Chargen einer Lösung hergestellt werden. Da die Dicke der ruhenden Schicht meist unbekannt ist, dient die Gleichung der groben Abschätzung und eher dafür, den Einfluss einer Änderung zu bestimmen (z.B. dass eine Halbierung der Teilchengröße zu einer doppelt so schnellen Auflösung führt). Auch im Bereich der Biopharmazie werden diese Abschätzungen genutzt, wo sie eine Rolle bei der Untersuchung der Wirkstofffreisetzung spielen.
Streng genommen gilt die Noyes-Whitney-Gleichung nur für nadelförmige Kristalle, also bei bevorzugter Längenänderung der Partikel. Bei der Auflösung mit isometrischer Volumenabnahme, wie dies bei würfel- oder kugelförmigen Körpern der Fall ist, wird die Auflösungsgeschwindigkeit besser durch das Hixon-Crowell-Kubikwurzelgesetz beschrieben. In der Praxis werden diese Fälle jedoch nicht unterschieden, da die Abweichungen zwischen den beiden Gleichungen meist nicht relevant sind.
Quellen
- Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017
- Universität Freiburg – Pharmazeutische Technologie, abgerufen am 02.11.2023
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