Medizinisch-psychologische Untersuchung
Synonyme: Begutachtung der Fahreignung, „Idiotentest“ (umgangssprachlich)
Definition
Die medizinisch-psychologische Untersuchung, kurz MPU, ist ein verkehrsmedizinisches Begutachtungsverfahren zur Beurteilung der Fahreignung bei Personen, bei denen begründete Zweifel an der sicheren Teilnahme am Straßenverkehr bestehen. Sie dient der Gefahrenabwehr und soll keinen Strafcharakter haben.
Abgrenzung
Die MPU ist abzugrenzen von rein medizinischen Fahreignungsuntersuchungen (z.B. bei epileptischen Anfällen oder Sehstörungen) sowie von freiwilligen verkehrspsychologischen Beratungen ohne gutachterliche Funktion.
Hintergrund
Die rechtliche Grundlage der MPU bildet die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Die Anordnung erfolgt durch die Fahrerlaubnisbehörde bei Zweifeln an der Fahreignung. Die Durchführung ist amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung vorbehalten.
Die Begutachtung erfolgt auf Basis der von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) herausgegebenen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sowie der Beurteilungskriterien zur Fahreignungsbegutachtung, die bundesweit verbindliche Standards für Diagnostik, Bewertung und Prognose vorgeben.
Zentraler Fokus ist die Frage, ob eine stabile und nachhaltige Verhaltensänderung stattgefunden hat, die eine sichere Verkehrsteilnahme künftig erwarten lässt.
Anordnung
Eine MPU wird insbesondere angeordnet bei:
- wiederholter oder erheblicher Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr (z.B. ab 1,6 ‰ oder Wiederholungstat)
- Konsum illegaler Drogen oder missbräuchlichem Gebrauch psychoaktiver Substanzen
- Erreichen von 8 Punkten im Fahreignungsregister
- wiederholten erheblichen Verkehrsverstößen
- Fahren ohne Fahrerlaubnis in bestimmten Konstellationen
- charakterlicher Nichteignung (z.B. erhebliche Aggressionsdelikte im Straßenverkehr)
- bestimmten neurologischen oder psychischen Erkrankungen mit möglicher Auswirkung auf die Fahreignung
- altersassoziierten Leistungsdefiziten bei begründeten Zweifeln an der Fahrtauglichkeit
Ablauf
Die MPU besteht aus drei aufeinander bezogenen Modulen. Sie umfasst eine strukturierte Anamnese (inklusive Substanzkonsum, Vorerkrankungen und Medikation), eine körperliche Untersuchung sowie – abhängig von der Fragestellung – laborchemische Analysen zur Abstinenzkontrolle oder Verlaufsbeurteilung (z.B. CDT, Leberparameter, Urin- oder Haaranalysen).
In der leistungspsychologischen Untersuchung werden verkehrsrelevante psychofunktionelle Leistungsbereiche standardisiert getestet, insbesondere Reaktionsvermögen, Aufmerksamkeitssteuerung, Konzentrationsfähigkeit und psychische Belastbarkeit. Die Testung erfolgt computergestützt unter standardisierten Bedingungen.
Das psychologische Untersuchungsgespräch bildet den Kern der MPU. Es dient der Exploration des Anlassdelikts, der relevanten Risikofaktoren und der individuellen Hintergründe. Bewertet werden unter anderem Einsicht in das Fehlverhalten, Verantwortungsübernahme, die Qualität der Verhaltensänderung sowie die Stabilität der entwickelten Rückfallpräventionsstrategien.
Begutachtung
Auf Grundlage aller Befunde wird ein schriftliches Gutachten erstellt. In der Regel kommt es zu einer der folgenden Kernaussagen:
- Fahreignung liegt vor
- Fahreignung liegt derzeit nicht vor
In Einzelfällen können ergänzende Hinweise oder Empfehlungen (z.B. zu Nachschulungen oder weitere Untersuchungen) erfolgen. Das Gutachten wird der betroffenen Person ausgehändigt, die eigenständig über die Vorlage bei der Fahrerlaubnisbehörde entscheidet.
Prognostische Bedeutung
Die MPU ist ein Instrument der individuellen Risikoabschätzung im Straßenverkehr. Insbesondere bei Alkohol- und Drogenauffälligkeit zeigt sich, dass eine glaubhaft belegte und stabile Verhaltensänderung mit einer reduzierten Rückfallwahrscheinlichkeit assoziiert ist. Maßgeblich ist die langfristige Änderung des Verkehrs- und Konsumverhaltens.
Kritik
Kritikpunkte betreffen vor allem die finanzielle Belastung für Betroffene, den als subjektiv empfundenen Anteil des psychologischen Gesprächs und eine teilweise als intransparent wahrgenommene Begutachtungspraxis. Aus fachlicher Sicht gilt die MPU als zentrales Instrument der Verkehrssicherheitsarbeit bei Personen mit substanzbezogenen oder charakterlichen Auffälligkeiten.
Literatur
- Fahrerlaubnis‑Verordnung (FeV) - Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, abgerufen am 26.11.2025
- Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt): Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, abgerufen am 26.11.2025
- Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP): Positionspapier „Die verkehrspsychologische Fahreignungsbegutachtung“., abgerufen am 26.11.2025
- Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM): Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, abgerufen am 26.11.2025