Lissenzephalie
von altgriechisch: λισσός ("lissos") - glatt
Synonym: Gyrierungsstörung
Englisch: lissencephaly
Definition
Der Begriff Lissenzephalie steht für eine Gruppe von seltenen angeborenen Fehlbildungen des Gehirns, bei denen keine ausreichende Gyrierung der Hirnrinde (Cortex cerebri) vorliegt. Die Hirnoberfläche erscheint dadurch ungewöhnlich glatt. Lissenzephalien werden oftmals durch eine psychomotorische Entwicklungsverzögerung sowie eine Epilepsie auffällig.
Epidemiologie
Die betreffenden Fehlbildungen sind selten. Genaue Angaben zur Prävalenz liegen bislang nicht vor (2023).
Ätiologie
Ursächlich für eine Lissenzephalie sind meist Genmutationen, die zu einer unvollständigen Migration der kortikalen Neurone während der pränatalen Entwicklung führen. Die häufigsten Mutationen, die mit einer Lissenzephalie assoziiert sind, betreffen die Gene LIS1, DCX, DYNC1H1 und TUBA1A.
Es kann zudem auch ein Zusammenhang mit syndromalen Erkrankungen bestehen. Dazu gehört beispielsweise das Miller-Dieker-Syndrom, bei dem eine Mikrodeletion auf Chromosom 17 vorliegt.
Auch exogene Faktoren, wie z.B. Vergiftungen, können zu den Lissenzephalien führen.
Pathophysiologie
Aufgrund des gestörten Migrationsprozesses kommt es zu variabel auftretenden, morphologischen Veränderungen der Hirnrinde. Dazu gehören die Pachygyrie (breite, flache Gyri) und die Agyrie (teilweise oder gänzlich fehlende Gyrierung). Beide Malformationen weisen einen verdickten Kortex auf. Liegt lediglich eine Pachygyrie vor, spricht man auch von einer inkompletten Lissenzephalie.
In bestimmten Fällen (z.B. bei Heterozygotie) zeigt nur ein Teil der Neuronen eine Migrationsstörung, sodass es lediglich zu einer imkompletten Migration kommt. Dies wird als subkortikale Bandheterotopie bezeichnet, im MRT ist dabei subkortikal ein Band sichtbar.
Einteilung
Anhand von radiologischen und pathologischen Kriterien ist eine Zuordnung zu den folgenden vier Typen möglich:[1]
- Typ-1-Lissenzephalie
- Klassische Lissenzephalie mit Agyrie und/oder Pachygyrie
- Subkortikale Bandheterotopie
- Typ-1-Lissenzephalie mit assoziierten Symptomen
- Typ-2-Lissenzephalie (Cobblestone-Lissenzephalie)
- Mikrolissenzephalie
In neueren Klassifikationen werden je nach zugrundeliegender genetischer Ursache zahlreiche verschiedene Lissenzephalie-Formen unterschieden.[2] Insgesamt ist die Einteilung der Lissenzephalien in der Literatur nicht einheitlich.
Pathologie
Die Großhirnhemisphären weisen in der Regel eine glatte Oberfläche auf, mit nur angedeuteten primären Sulci (z.B. Sulcus lateralis oder centralis). Bei der klassischen Lissenzephalie mit einer LIS1-Mutation ist die Agyrie bevorzugt frontal und die Pachygyrie okzipital lokalisiert.
Klinik
Die Ausprägung der Symptomatik ist variabel. Schwere Lissenzephalie-Formen sind durch signifikante Entwicklungsverzögerungen gekennzeichnet und können im Verlauf zerebrale Krampfanfälle auslösen. Der Verlauf einer subkortikalen Bandheterotopie ist in der Regel weniger schwerwiegend als der einer klassischen Lissenzephalie.
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt mittels Sonographie und MRT sowie eines molekulargenetischen Mutationsnachweises.
Therapie
Eine Kausaltherapie existiert nicht, daher erfolgt die Behandlung rein symptomatisch.
Quellen
- ↑ Morris-Rosendahl et al., Klinik, Genetik und Pathogenese der Lissenzephalien, Deutsches Ärzteblatt, 2003
- ↑ Di Donato, Genetik der kortikalen Fehlbildungen, medgen, 2018
Literatur
- Höfler et al. Lehrbuch Pathologie, 6. Auflage, 2019
- Pogledic, Migrations- und Gyrierungsstörungen, Der Radiologe, 2018
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