Kunstfehler
Synonym: Behandlungsfehler
Definition
Als Kunstfehler werden alle diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen bezeichnet, die nicht nach dem zum Behandlungszeitpunkt geltenden Fachstandard, beziehungsweise nicht mit gebotener Sorgfalt durchgeführt wurden, und dadurch zu einem Schaden beim Patienten führen. Auch das Unterlassen einer notwendigen Diagnostik kann als Kunstfehler gelten.
Hintergrund
Kunstfehler werden nach gängiger bundesdeutscher Rechtsprechung als Fahrlässigkeit (§276 BGB) angesehen und können damit als vorsätzliche Körperverletzung (§230 StGB) oder fahrlässige Tötung (§222 StGB) geahndet werden. Dazu ist eine Begutachtung durch medizinische Sachverständige nötig.
Neben strafrechtlicher Verfolgung können Kunstfehler auch eine zivilrechtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen (§249 BGB, §823 BGB) nach sich ziehen.
Grober Behandlungsfehler
Ein Behandlungsfehler wird als "grob" bezeichnet, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.[1] Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, kann dies zur Beweislastumkehr führen. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt belegen, dass seine Behandlung nicht fehlerhaft gewesen ist bzw. der eingetretene Schaden auch bei korrekter Behandlung aufgetreten wäre. Beispiele für derartige grobe Behandlungsfehler sind:
- unterlassene Sicherungsaufklärung
- Verwendung fehlerhafter Geräte
- unterlassene Befunderhebung
- Verwechslung bei der Transfusion von Blutkonserven, z.B. durch nicht durchgeführten Bedside-Test
- Fehlinterpretation eindeutiger Befunde
- Schwere Hygieneverstöße
- Ignorieren von Warnhinweisen
- Ignorieren dokumentierter Allergien
- falsche Medikation oder massive Überdosierungen
- Übersehene lebensbedrohliche Zustände
- Verwechslungen des Patienten oder Körperteils im Rahmen einer Operation
Ursachen
Die Ursachen bei der Entstehung von Behandlungsfehlern sind vielfältig. Sie beinhalten u.a. systemische und individuelle Ursachen. Beispiele für systemische Ursachen sind fehlende klinische Standards, mangelnde Fehlerkultur und geringe Personaldichte mit hoher Arbeitsbelastung. Individuelle Ursachen sind z.B. Bestätigungsfehler, Fixierungsfehler und Prospective-Memory-Fehler.
Vermeidung
Mögliche Strategien zur Vermeidung von Behandlungsfehlern sind z.B.:
- Checklisten (z.B. vor jeder Narkoseeinleitung)
- fixierte Arbeitsanweisungen und Standard Operating Procedures (SOPs), z.B. Team-Time-Out vor jedem Eingriff
- Teamtrainings
- IT-Unterstützung wie Meldesysteme, z.B. Critical Incident Reporting System (CIRS)
Quellen
- ↑ BGH Urteil vom 11.06.1999