Grundannahmen (Psychotherapie)
Synonyme: Grundüberzeugungen, Glaubenssätze, kognitive Schemata
Englisch: core beliefs, core assumptions
Definition
Grundannahmen bezeichnen in der Psychotherapie stabile, meist unbewusste Überzeugungen eines Menschen über sich selbst, andere Menschen und die Welt. Sie stellen zentrale kognitive Schemata dar, die im Laufe früher Beziehungserfahrungen und Entwicklungsschritte entstehen und das Erleben sowie das Verhalten maßgeblich prägen. In vielen psychotherapeutischen Verfahren – insbesondere in der kognitiven Verhaltenstherapie und der Schematherapie – kommt der Arbeit an Grundannahmen eine zentrale Bedeutung zu.
Theoretischer Hintergrund
Grundannahmen entwickeln sich aus wiederkehrenden Beziehungserfahrungen, Bindungsmustern und Lernerfahrungen im Kindes- und Jugendalter. Sie entstehen auf der Basis kindlicher Bedürfnisse (z.B. nach Bindung, Kontrolle oder Anerkennung) und dienen zunächst der Orientierung und psychischen Stabilität. Später können sie jedoch in bestimmten Kontexten dysfunktional werden, insbesondere wenn sie rigide, übergeneralisiert oder negativ verzerrt sind.
Typische Grundannahmen sind zum Beispiel:
- „Ich bin nur wertvoll, wenn ich Leistung erbringe.“
- „Andere Menschen sind nicht verlässlich.“
- „Ich darf keine Schwäche zeigen.“
- „Die Welt ist gefährlich.“
Solche Annahmen wirken oft automatisch und beeinflussen Wahrnehmung, Bewertung und Verhalten. Sie äußern sich z.B. in selektiver Aufmerksamkeit, Bestätigungsfehlern oder dysfunktionalen Bewältigungsstrategien.
Diagnostik und therapeutische Relevanz
In der kognitiven Verhaltenstherapie wird zwischen automatischen Gedanken, Regeln/Antizipationen („Wenn…, dann…“) und übergeordneten Grundannahmen unterschieden. Ziel der Therapie ist es, diese Ebenen zu identifizieren, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern – z.B. durch kognitive Umstrukturierung, sokratischen Dialog oder imaginative Techniken.
Auch in der Schematherapie spielen Grundannahmen eine zentrale Rolle als sogenannte Schemata oder Lebensfallen. Diese beinhalten typischerweise emotionale, kognitive und somatische Komponenten und werden mit bestimmten Moduszuständen in Verbindung gebracht.
Veränderung von Grundannahmen
Therapeutisch ist es wichtig, dass Grundannahmen nicht direkt konfrontiert, sondern in einem verstehensorientierten und erfahrungsbasierten Prozess bearbeitet werden. Neben der kognitiven Modifikation kommen dabei zunehmend emotionsfokussierte und erlebnisaktivierende Verfahren zum Einsatz (z.B. Imagination, Stuhldialoge, Rollenspiele), die alternative, hilfreiche Überzeugungen erlebbar machen.
Literatur
- Beck, J. S. (2024). Praxis der kognitiven Verhaltenstherapie. Beltz.
- Young, J. E., Klosko, J. S., & Weishaar, M. E. (2005). Schematherapie – Ein praxisorientiertes Handbuch. Junfermann.