Paragangliom
Synonyme: Chemodektom, Glomustumor
Englisch: paraganglioma
Definition
Als Paragangliome bezeichnet man seltene neuroendokrine Tumoren (NET), die von Zellen der sympathischen oder parasympathischen Paraganglien abstammen. Sie sind in der Regel benigne, können aber auch maligne sein.
- ICD10-Code: D44.7
Einteilung
Paragangliome werden nach anatomischer Lokalisation und nach Zugehörigkeit zum sympathischen oder parasympathischen Nervensystem eingeteilt:
Parasympathische Paragangliome
Parasympathische Paragangliome entstehen innerhalb der Paraganglien im Kopf-Hals-Bereich bzw. sind mit den Ästen des Nervus glossopharyngeus und Nervus vagus verbunden. In der Regel sind die Tumore asekretorisch. Man unterscheidet:
- Paraganglioma caroticum: Sitz an der Karotis
- Paraganglioma tympanicum: Sitz im Mittelohr
- Paraganglioma jugulare: Sitz an der Fossa jugularis ossis temporalis
- Paraganglioma vagale: Sitz am Nervus vagus
- laryngeales Paragangliom
Sympathische Paragangliome
Sympathische Paragangliome finden sich i.d.R. unterhalb des Kopf-Hals-Bereiches und sezernieren meist Katecholamine:
- mediastinale Paragangliome: meist paravertebral entlang der Aorta (Paraganglioma aorticum) bzw. im Bereich der großen thorakalen Gefäße (aortopulmonales Paragangliom). Selten entlang des Epikards, im Herzvorhof, im Vorhofseptum oder in den Ventrikeln.
- abdominale Paragangliome:
- intraadrenal (Phäochromozytom): im Nebennierenmark. Wird in der Literatur z.T. nicht zu den Paragangliomen gezählt.
Ätiologie
Die genaue Ursache von Paragangliomen ist derzeit (2022) unklar. Hereditäre Faktoren spielen eine große Rolle. Am häufigsten finden sich Mutationen in den Genen, die für die verschiedenen Untereinheiten der Succinatdehydrogenase kodieren (SDHB, SDHD, SDHA, SDHAF2).
Weiterhin sind Paragangliome mit verschiedenen Syndromen assoziiert:
- von-Hippel-Lindau-Syndrom: v.a. Phäochromozytom
- MEN Typ 2A und 2B
- Neurofibromatose Typ 1: v.a. Phäochromozytom
- Carney-Stratakis-Syndrom
Klinik
Parasympathische Paragangliome
Parasympathische Paragangliome verursachen i.d.R. aufgrund ihres raumfordernden Effekts Beschwerden, z.B. Hirnnervenlähmungen oder Tinnitus.
Sympathische Paragangliome
Sympathische Paragangliome werden meist aufgrund der erhöhten Katecholamin-Sekretion symptomatisch. Typische Beschwerden sind Kopfschmerzen, Palpitationen, Hyperhidrose und Hypertonie.
Diagnose
Radiologie
Die Diagnose erfolgt in erster Linie durch bildgebende Verfahren:
- Computertomographie (CT):
- Dichte > 10 HU im nativen CT (im Unterscheid zum Nebennierenadenom)
- starkes Kontrastmittelenhancement mit verzögertem Wash-Out
- Magnetresonanztomographie (MRT):
- T1w: hypointens im Vergleich zu Leber und Nebenniere. Salz-und-Pfeffer-Zeichen ("helles" Parenchym und "dunkles" Flow Void der Gefäße)
- T2w: hyperintenses Light-Bulb-Zeichen. Teilweise Salz-und-Pfeffer-Struktur.
- T1w-KM: heterogenes, langanhaltendes Konrastmittelenhancement
Nuklearmedizin
Nuklearmedizinisch kommen eine Vielzahl an funktionellen Bildgebungen in Frage, z.B.:
- bei Katecholamin-produzierenden Tumoren:
- 18F-Dopa-PET: v.a. bei Kopf-Hals-Paragangliomen, SDHD-Mutationen und fehlenden Metastasen. Zurückhaltend bei SDHB-Mutationen.
- MIBG-Szintigraphie mit Iod-123 oder Iod-131: v.a. bei Phäochromozytom und anderen sympathischen Paragangliomen. Zurückhaltend eingesetzt bei Kopf-Hals-Lokalisation, maligner Erkrankung und MEN2.
- 18F-FDA-PET: v.a. bei metastasierten Paragangliomen und nicht-metastasierten Phäochromozytomen. Nur in speziellen Zentren verfügbar.
- 18F-FDG-PET: v.a. bei malignen Paragangliomen, SDHB-Mutationen und von-Hippel-Lindau-Syndrom. Nachteilig ist ggf. die niedrigere Spezifität.
- 68Ga-DOTATATE-PET: v.a. bei sporadischen Erkrankungen, SHDB-Mutationen und Kopf-Hals-Lokalisation. Nachteilig ist ggf. der Nachweis von Leber- und Lungenläsionen.
Pathologie
Eine Biopsie bzw. Feinnadelpunktion ist bei einem Katecholamin-produzierendem Paragangliom kontraindiziert.
Makroskopie
Makroskopisch imponieren Paragangliome als rotbraune, bekapselte Geschwulste, die abhängig von ihrer Dignität das umliegende Gewebe infiltrieren.
Mikroskopie
Paragangliome bestehen aus zwei unterschiedlichen Zelltypen. Die Hauptzellen bzw. Typ-I-Zellen machen den Hauptanteil des Tumors aus und bilden charakteristische Zellballen. Sie werden von den Sustentakularzellen bzw. Typ-II-Zellen einlagig umgeben.
Histologisch gibt es kein verlässlichen Marker für das Malignitätspotenzial. Die maligne Dignität ist definiert durch das Vorhandensein von Metastasen. Am häufigsten sind Lymphknoten, Leber, Lunge und Knochen betroffen. Das Malignitätsrisiko beträgt:
- parasympathische Paragangliome: 2-20 %
- sympathische Paragangliome: 20 % (außer Phäochromozytom: 10 %)
Immunhistochemie
- Typ-I-Zellen: NSE, Chromogranin A, Synaptophysin
- Typ-II-Zellen: S-100, GFAP
Therapie
Paragangliome werden chirurgisch reseziert oder bestrahlt.