Extinktionsphänomen
Synonyme: sensorische Auslöschung, sensorische Extinktion
Englisch: sensory extinction, extinction phenomenon
Definition
Das Extinktionsphänomen ist ein neuropsychologisches Phänomen, das bei verschiedenen ZNS-Läsionen auftritt. Dabei reagiert bei simultanen bilateralen Reizen nur die gesunde (ipsiläsionale) Körperseite, das Signal der betroffenen (kontraläsionalen) Seite wird ausgelöscht. Die Wahrnehmung einzeln präsentierter Reize ist hingegen nicht oder wenig beeinträchtigt.
Abgrenzung
Extinktionsphänomene sind von einem Neglect abzugrenzen. Beim Neglect vernachlässigt der Patient die kontraläsionale Raumhälfte generell – unabhängig davon ob Reize simultan oder seitengetrennt dargeboten werden. Eine Extinktion tritt hingegen nur bei gleichzeitiger Reizung auf.
Ätiologie
Häufige Ursachen für das Auftreten des Extinktionsphänomens sind:
- Ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall, meist im Stromgebiet der Arteria cerebri media
- Traumatische Hirnverletzungen
- Tumoren im parietalen oder frontalen Cortex
- Degenerative Erkrankungen (selten), z.B. bei Morbus Alzheimer im Spätstadium
Pathophysiologie
Die zugrunde liegende Störung wird auf eine asymmetrische Verarbeitung sensorischer Informationen im parietalen Cortex zurückgeführt. Bei gleichzeitiger bilateraler Reizdarbietung setzt sich die ipsiläsionale Hemisphäre durch, während die kontraläsionale Reizwahrnehmung gehemmt wird. Besonders häufig betreffen Extinktionsphänomene visuelle, taktile und auditive Modalitäten.
Diagnostik
Die Untersuchung erfolgt durch gezielte Testung der betroffenen Modalitäten. Typisch ist die Diskrepanz zwischen erhaltener Wahrnehmung bei isolierter Reizdarbietung und Auslöschung bei gleichzeitiger bilateraler Reizung. Testverfahren umfassen:
- Fingerperimetrie (visuell)
- gleichzeitige taktile Stimulation beider Hände oder Gesichtshälften
- binaurale akustische Reize (Kopfhörer)
Differentialdiagnosen
Abzugrenzen sind homonyme Hemianopsien und Sensibilitätsstörungen durch periphere Läsionen. Extinktionsphänomene sind nicht Folge einer primären Sinnesstörung, sondern einer Störung der Aufmerksamkeit und Reizselektion.