Episodisches Gedächtnis
Synonym: autobiographisches Gedächtnis
Englisch: episodic memory
Definition
Das episodische Gedächtnis bezieht sich auf die Erinnerung an persönlich erlebte Ereignisse, die in einem einzigartigen räumlichen und zeitlichen Kontext stehen. Es ist Teil des deklarativen Langzeitgedächtnisses.
Hintergrund
Die Unterscheidung zwischen episodischem und semantischem Gedächtnis wurde formell zum ersten mal durch den kanadische Psychologen Endel Tulving beschrieben. In Tulvings ursprünglichem Konzept ist das episodische Gedächtnis eng mit dem Bewusstsein des in der jetzigen Zeit situierten Selbst (autonoetisches Bewusstsein) verbunden. Es ermöglicht, Ereignisse aus der Vergangenheit abzurufen und diese im Kopf nachzuerleben (episodischer Abruf).
Beispiel für eine raum-zeitlich eingebettete persönliche Erinnerungen im episodischen Gedächtnis ist folgende Aussage: "Mein Besuch in Berlin war am letzten Wochenende".
Entwicklung
Das episodische Gedächtnis entwickelt sich im Alter von etwa 3 bis 4 Jahren. Als zentrale Hirnstruktur gilt der Hippocampus, aber auch der präfrontale Cortex spielt eine Rolle. Während jüngere Menschen (23 bis 39 Jahre) bevorzugt den linken Hippocampus aktivieren, sind bei älteren Menschen häufig beide Seiten involviert.
Diagnostik
Zur Differenzierung zwischen episodischen und semantischen Altgedächtnisstörungen eignet sich Wiedergabe von autobiografischen und öffentlichen episodischen Informationen aus verschiedenen Lebensabschnitten. Zur neuropsychologischen Diagnostik kann beispielsweise Testmodul C im Inventar zur Gedächtnisdiagnostik (IGD) verwendet werden. Da die standardisierten Verfahren nicht zur Eingrenzung des zeitlichen Umfangs der retrograden Amnesie geeignet sind, sollte die Erinnerung an relevante biografische Ereignisse mithilfe der Angehörigen untersucht werden.
Klinik
Die Alzheimer-Krankheit wird oft als Modell für die Läsion des episodischen Gedächtnisses herangezogen. Diese zeichnet sich durch charakteristische Defizite im episodischen Gedächtnis für visuelle und verbale Informationen aus. Studien zum autobiografischen Gedächtnis ergaben negative zeitliche Verläufe bei Alzheimer: der Abruf aktueller episodischer Erinnerungen war im Vergleich zum Abruf entfernter Erinnerungen deutlich beeinträchtigt. Von entfernten Erinnerungen wird angenommen, dass sie semantisierte Gedächtnisrepräsentationen widerspiegeln.
Darüber hinaus weisen Analysen mittels fMRT in der Akutphase einer transienten globalen Amnesie (TGA) auf eine reversible Beeinträchtigung der funktionellen Konnektivität im Netzwerk des episodischen Gedächtnisses hin.
Quellen
- Tulving Memory and consciousness Canadian Psychology 1985
- Renoult et al. From Knowing to Remembering: The Semantic-Episodic Distinction Trends in cognitive sciences 2019
- Maguire und Frith Aging affects the engagement of the hippocampus during autobiographical memory retrieval Brain 2003
- Leitlinie: Diagnostik und Therapie von Gedächtnisstörungen bei neurologischen Erkrankungen, abgerufen am 31.08.2022
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