Vancomycin-resistente Enterokokken
Definition
Bei Vancomycin-resistenten Enterokokken, kurz VRE, handelt es sich um verschiedene Erreger aus der Gattung der Enterokokken mit einer sekundären Resistenz gegenüber dem Reserveantibiotikum Vancomycin. Da häufig auch Teicoplanin keine bakterizide Wirkung mehr zeigt, spricht man auch von Glykopeptid-resistenten Enterokokken oder GRE.
Hintergrund
Als opportunistische Krankheitserreger führen Vancomycin-resistente Enterokokken vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten zu klinisch manifesten Infektionen. Durch eine Vielzahl weiterer Antibiotikaresistenzen sind die Therapiemöglichkeiten bei Infektionen mit VRE stark eingeschränkt. Sie sind daher ein gefürchteter nosokomialer Problemkeim.
Vertreter
Epidemiologie
Die ersten klinischen VRE-Isolate wurden 1986 in England und Frankreich gefunden. Zunächst waren jedoch vor allem Krankenhäuser in den USA von VRE betroffen. Hier etablierten sich Vancomycin-resistente Enterokokken während der 1990er Jahre zum zweithäufigsten nosokomialen Problemkeim und wurden in vielen Krankenhäusern endemisch. Die selbe Entwicklung vollzog sich in Europa mit etwa zehnjähriger Verzögerung. Hier stiegen die VRE-Prävalenzraten mit Beginn des 21. Jahrhunderts.
In Deutschland wurde erstmals 1996 ein nosokomialer VRE-Ausbruch registriert. Aktuell liegt die Vancomycin-Resistenzrate von Enterococcus faecium in Deutschland bei ca. 10% und ist leicht rückläufig. Damit liegt Deutschland verglichen mit den Beneluxländern (1%) oder Griechenland und Spanien (30%) im europäischen Mittelfeld.
Resistenzmechanismus
Die Zellwand grampositiver Bakterien besteht aus parallel angeordneten Peptidoglykansträngen. Peptidoglykane bestehen aus einem Zuckerrückgrat und einer Oligopeptid-Seitenkette. Um eine optimale Stabilität der Zellwand zu erreichen, werden jeweils zwei Peptidseitenketten durch das Enzym Transpeptidase miteinander verbunden, wodurch insgesamt ein flächiges Netz, der sogenannte Mureinsacculus entsteht.
Vancomycin und Teicoplanin wirken bakterizid indem sie sich an das freie C-terminale Ende der Peptidseitenkette anlagern und so die enzymatische Quervernetzung des Peptidoglykans verhindern. Dadurch vermindert sich die osmotische Resistenz des Bakteriums und es kommt zur Zelllyse.
Vancomycin-resistenten Enterokokken gelingt es jedoch durch Veränderung der Zielstruktur, die Bindung der Glykopetid-Antibiotika zu erschweren. Im Detail geschieht Folgendes:
VRE können eine alternative Peptidseitenkette synthetisieren, bei der das C-terminale D-Alanin durch D-Lactat oder D-Serin ersetzt wird. Anstatt durch eine Amidbindung sind die beteiligten Aminosäuren nun durch eine Esterbindung miteinander verbunden. In der Folge können zwischen der Peptidkette und dem Vancomycin-Molekül nur noch vier statt wie bisher fünf Wasserstoffbrückenbindungen ausgebildet werden.
Durch diese geringfügige Modifikation wird die Affinität des Vancomycins gegenüber der Zielstruktur um den Faktor 1.000 verringert.
Resistenzgene
Die Glykopeptidresistenz bei Enterokokken ist in den sogenannten Van-Genen codiert. Dabei handelt es sich um Gen-Cluster, die jeweils für mehrere Proteine codieren, die den oben beschriebenen Resistenzmechanismus ermöglichen. Sie sind induzierbar oder konstitutiv.
Bisher sind insgesamt 9 verschiedene Van-Gen-Cluster bekannt. Sie sind teilweise speziesspezifisch, entweder plasmid- oder genomcodiert und unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Vancomycin- bzw. Teicoplaninresistenz. Bei klinischen Enterokokkenisolaten findet sich am häufigsten der VanA- und der VanB-Typ.
Resistenz-Phänotyp | Lokalisation | Konjugierbarkeit |
---|---|---|
VanA | Plasmid/Chromosom | +/− |
VanB | Chromosom/Plasmid | +/− |
VanC | Chromosom | – |
VanD | Chromosom | − |
VanE | Chromosom | − |
VanG | Chromosom | + |
VanL | unklar | − |
VanM | Plasmid | + |
VanN | Plasmid | +/− |
Diagnostik
Grundsätzlich ist die Anfertigung eines Antibiogramms mittels Agardiffusionstest bei Enterokokken möglich. Gerade aber eine fragliche Vancomycin-Resistenz sollte besser durch einen Mikrodilutionstest abgeklärt werden, da so die minimale Hemmkonzentration bestimmt werden kann. 2010 wurden von der EUCAST folgende minimale Hemmkonzentrationen als Grenzwerte für Glykopeptidresitenz bei Enterokokken festgelegt.
- Vancomycin: sensibel ≤ 4 mg/l; resistent > 4 mg/l
- Teichoplanin: sensibel ≤ 2 mg/l; resistent > 2 mg/l
Therapie
Die Therapie von VRE-Infektionen kann sich äußerst schwierig gestalten, da die Bakterien oftmals multiple Resistenzen aufweisen. So erschweren die natürlichen Resistenzen von E. faecium als häufigster Vertreter der VRE die Antibiotikatherapie bereits erheblich. Des Weiteren liegen neben der Vancomycin-Resistenz regelmäßig noch weitere erworbene Resistenzen z.B. gegenüber Aminopenicillinen oder eine hochgradige Aminoglykosid-Resistenz vor.
Früher konnte daher bei Infektionen mit VRE oftmals nur noch auf Streptogramine wie beispielsweise die Kombination Quinupristin/Dalfopristin zurückgegriffen werden. Auch wenn es sich bei VRE meistens um Enterococcus faecium handelt, soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass Enterococcus faecalis bereits primär resistent gegenüber Streptograminen ist.
Dank der Entwicklung neuer Antiinfektiva stehen heutzutage mit den Substanzen Linezolid und Tigecyclin weitere VRE-wirksame Reserveantibiotika zur Verfügung. Doch auch für diese Wirkstoffe gibt es bereits erste Berichte von Resistenzentwicklung und Therapieversagen bei VRE.
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass eine erfolgreiche Therapie von Enterokkeninfektionen eine Erregeridentifizierung und die Anfertigung eines Antibiogramms erfordert. Eine kalkulierte Therapie muss schnellstmöglich an erwartete bzw. festgestellte Resistenzen angepasst werden.
VRE und Tiermast
Während in den USA Vancomycin-resistente Enterokokken hauptsächlich in Krankenhäusern bzw. bei hospitalisierten Patienten isoliert werden, stellen in Europa landwirtschaftliche Nutztiere, sowie nicht hospitalisierte, gesunde Menschen ein bedeutendes Reservoir für VRE dar. Dieser Umstand lässt sich durch den massiven Einsatz von Avoparcin in der Tiermast erklären. Avoparcin, ein Vancomycin-Strukturanalogon wurde in Europa seit den 1970er Jahren als wachstumsfördernde Substanz verwendet. Dadurch wurden vor allem in der Geflügelzucht, VRE selektiert. Über die Nahrungskette konnten die Bakterien anschließend gesunde Menschen als Teil ihrer physiologischen Darmflora besiedeln. Seit 1997 ist der Einsatz von Avoparcin in der Europäischen Union verboten, was sich in rückläufigen Prävalenzraten von VRE bei Nutztieren und in der Allgemeinbevölkerung niederschlägt.
Literatur
- RKI - Nicht abschließende Liste von multiresistenten bakteriellen Krankheitserregern (Stand 2021), abgerufen am 07.03.2023