Oraler Glukosetoleranztest
Synonyme: Orale Glukosebelastung, OGT-Test, OGTT, oGTT
Definition
Der orale Glukosetoleranztest, kurz oGTT, dient dem Nachweis einer gestörten Glukoseverwertung und der Frühdiagnostik des Diabetes mellitus.
Indikationen
Der oGTT kann in folgenden Fällen indiziert sein:
- Sicherung der Verdachtsdiagnose eines Diabetes bei grenzwertigen Nüchternblutzuckerwerten
- Glucosurie ohne Hyperglykämie
- V.a. postprandiale Hypoglykämie
- chronische dermatologische Infektionen unklarer Ursache
- unklare Neuropathien oder Retinopathien
- V.a. Schwangerschaftsdiabetes, als Screening zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche
- Suchtest bei Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko
Die orale Glukosebelastung wird in modifizierter Form auch zur Diagnostik weiterer endokrinologischer Störungen eingesetzt (STH-Suppressionstest bei Akromegalie).
Kontraindikationen
Testprinzip
Die zugeführte Glukose führt zunächst zu einem kurzfristigen Anstieg der Blutglukosekonzentration. Unmittelbar darauf kommt es zur Stimulation der Insulinsekretion mit einem nachfolgenden Abfall des Wertes. Bei Patienten mit verminderter Insulin-Sekretion oder Insulinresistenz verläuft der Abfall der Blutglukosekonzentration verzögert. Der 120 min-Blutzuckerwert ist gegenüber dem Gesunden erhöht.
Messmethode
Zur Bestimmung des Blutzuckers wird ein enzymatischer Test durchgeführt, bei dem die Glucose das Substrat folgender Reaktion ist:
Glucose + ATP ⇌ Glucose-6-phosphat + ADP
Glucose-6-phosphat + NAD+ ⇌ Gluconat-6-phosphat + NADH + H+
Die Farbreaktion durch die Absorptionszunahme des NADH wird bei 334, 340 oder 365 nm gemessen.
Präanalytik
Patientenvorbereitung
Der Test wird morgens zwischen 8:00 und 9:00 am nüchternen Patienten durchgeführt. Nüchtern bedeutet in diesem Fall, dass der Patient 10-16 Stunden (bei Schwangeren mind. 8 Stunden) keine Kalorienzufuhr hatte und in dieser Zeit kein Nikotin, keinen Tee, keinen Kaffee und keine anderen Getränke außer Wasser konsumiert hat. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, muss der Patient an den drei vorangegangenen Tagen mehr als 150 g Kohlenhydrate pro Tag in Form von normaler Mischkost zu sich genommen haben. Weiterhin sollte ein Abstand von 3 Tagen zur Menstruation sowie 14 Tage Abstand zu einer akuten Erkrankung eingehalten werden. Soweit möglich sollten einflussnehmende Medikamente abgesetzt werden, vor allem:
Probenmaterial
Die Blutzuckermessung soll nach aktuellen Empfehlungen (2021) plasmakalibriert erfolgen. Es kann Blutserum, Heparinplasma, Kapillarblut oder Blut in Natriumfluorid-Röhrchen verwendet werden. Empfohlen werden spezielle Monovetten, die Natriumfluorid enthalten und zusätzlich angesäuert sind. In diesen wird die Glukosekonzentration bestmöglich stabilisiert. Bei Röhrchen, die einen flüssigen Zusatz enthalten, muss die Füllmenge eingehalten und das Ergebnis mit einem Korrekturfaktor zum Ausgleich der Verdünnung multipliziert werden. Bei pulverförmigem Additiv muss das Röhrchen 10 mal geschwenkt werden. Beide Varianten sind im Handel.
Wenn Blutserum oder -plasma verwendet wird, muss dieses innerhalb von 30 Minuten nach der Blutentnahme zentrifugiert und das Serum bzw. Plasma von den Zellen getrennt werden.[1]
Durchführung
- 0 min: Blutentnahme zur Glukosebestimmung (Basalwert), ggf. Bestimmung von Insulin und C-Peptid
- Anschließend p.o.-Gabe von 75 g Glukose, die in 250 - 300 ml Wasser gelöst wurden. Bei Kindern werden 1,75 g Dextrose pro kg Köpergewicht, jedoch maximal 75 g gegeben. Die Flüssigkeit muss innerhalb von 5 Minuten getrunken werden.
- 60 min: Erneute Blutentnahme zur Glukosebestimmung
- 120 min: Weitere Blutentnahme zur Glukosebestimmung
Bei Verdacht auf eine postprandiale reaktive Hypoglykämie wird der Test auf 5 Stunden verlängert, da die Hypoglykämie erst 2-5 Stunden nach der Belastung auftreten kann. Weitere Blutentnahmen zur Glukosebestimmung erfolgen nach 180, 240 und 300 Minuten.
Interpretation
Befund | nüchtern | nach 120 min |
---|---|---|
Normalbefund | < 100 mg/dl < 5,6 mmol/l |
< 140 mg/dl < 7,8 mmol/l |
Gestörte Glucosetoleranz | 100 - 125 mg/dl 5,6 - 6,9 mmol/l |
140 - 199 mg/dl 7,8 - 11,0 mmol/l |
Diabetes mellitus | > 125 mg/dl > 6,9 mmol/l |
> 199 mg/dl > 11,0 mmol/l |
Ein Gestationsdiabetes wird diagnostiziert, wenn für mindestens zwei Werte gilt:
Zeitpunkt | Vollblut (kapillär, hämolysiert) | venöses Plasma |
---|---|---|
nüchtern | ≥ 90 mg/dl ≥ 5,0 mmol/l |
≥ 90 mg/dl ≥ 5,0 mmol/l |
1h-Wert | ≥ 180 mg/dl ≥ 10,0 mmol/l |
≥ 165 mg/dl ≥9,2 mmol/l |
2h-Wert | ≥ 155 mg/dl ≥ 8,6 mmol/l |
≥ 140 mg/dl ≥ 7,8 mmol/l |
Mögliche Störfaktoren
Der oGTT ist falsch positiv bei:
- zu geringer Kohlenhydratzufuhr an den vorangegangenen Tagen
- Einnahme von Medikamenten (z.B. Diuretika, Laxantien, Kontrazeptiva)
- Duodenalulzera
- u.v.a.
Der oGTT ist falsch negativ bei:
- Malabsorption
- Einnahme von Medikamenten (blutzuckersenkend)
- u.v.a.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 29.03.2021
Quellen
- ↑ Nauck M et al: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetesmellitus: Update 2020 Diabetologe 2021, 17:404–410