Spracherwerbsstörung
Definition
Spracherwerbsstörungen sind Entwicklungsstörungen, bei denen Kinder Schwierigkeiten haben, Sprache altersgerecht zu verstehen, zu verarbeiten oder zu produzieren. Sie betreffen den Erwerb von Wortschatz, Grammatik, Aussprache und/oder Sprachverständnis.
Hintergrund
Der Begriff Spracherwerbsstörung dient als Oberbegriff für alle Formen einer gestörten Sprachaneignung im Kindesalter. Er umfasst sowohl primäre Störungen ohne erkennbare Ursache (Sprachentwicklungsstörungen) als auch sekundäre Störungen, die im Rahmen anderer Grunderkrankungen auftreten (z.B. Hörstörungen, neurologische Erkrankungen, genetische Syndrome).
Die Abgrenzung zu Sprachentwicklungsstörungen ist jedoch nicht ganz klar – die Begriffe werden in der Literatur teilweise auch synonym verwendet.
Symptome
- Lexikalisch-semantisch: geringer Wortschatz und Wortfindungsstörungen
- Morphologisch-syntaktisch: fehlerhafte Satzstrukturen und Auslassung von Funktionswörtern
- Phonologisch: Lautverwechslungen, Auslassungen und schwer verständliche Aussprache
- Pragmatisch: Schwierigkeiten im sprachlichen Handeln
- Rezeptiv: eingeschränktes Sprachverständnis
Diagnostik
Die Diagnostik von Spracherwerbsstörungen umfasst zunächst eine ausführliche Anamnese und eine Hördiagnostik zum Ausschluss von Hörminderungen. Zur differenzierten Erfassung werden standardisierte logopädische Untersuchungsverfahren wie der Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (SETK), der Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses (TROG-D) oder die Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen (PLAKSS) eingesetzt.
Bei Verdacht auf eine neurologische Ursache schließt sich eine neuropädiatrische Untersuchung an.
Ergänzend erfolgt eine Verhaltensbeobachtung in Alltagssituationen, um den Sprachgebrauch im natürlichen Kontext zu beurteilen.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach Art und Ausprägung der Störung. Im Vordergrund steht die logopädische Behandlung mit individuell angepasster sprachtherapeutischer Förderung. Ergänzend werden Eltern zu sprachfördernden Kommunikationsstrategien beraten. Bei Kindern mit Mehrfachbelastung kann eine interdisziplinäre Frühförderung sinnvoll sein. Liegt eine sekundäre Störung vor, erfolgt parallel zur Sprachtherapie eine gezielte Behandlung der zugrunde liegenden Grunderkrankung.
Prognose
Frühe Erkennung und konsequente Förderung verbessern die Entwicklungsaussichten deutlich. Bei primären Spracherwerbsstörungen kann sich die sprachliche Kompetenz mit intensiver und langfristiger Förderung weitgehend normalisieren. Sekundäre Spracherwerbsstörungen sind in der Regel stärker durch die zugrunde liegende Erkrankung geprägt und zeigen daher meist eine eingeschränktere Prognose.
Literatur
- Chilla, Spracherwerbsverzögerung–Spracherwerbsstörung. Sprachdiagnostik Deutsch als Zweitsprache. Berlin/Boston: De Gruyter, 2019
- Zollinger, Spracherwerbsstörungen: Grundlagen zur Früherfassung und Frühtherapie. Haupt Verlag, 2023