Split-Brain-Syndrom
Synonyme: Hemisphärendisconnection
Definition
Das Split-Brain-Syndrom bezeichnet eine Störung der interhemisphärischen Kommunikation infolge einer Unterbrechung der Faserverbindungen zwischen den beiden Großhirnhemisphären, insbesondere des Corpus callosum. Dadurch sind Informationsaustausch und Koordination zwischen linker und rechter Hemisphäre gestört.
Ätiologie
Häufigste Ursache ist eine operative Durchtrennung des Corpus callosum (Kallosotomie) zur Behandlung therapieresistenter Epilepsien. Seltener tritt das Syndrom infolge traumatischer, ischämischer, tumoröser oder entzündlicher Läsionen des Balkens auf.
Pathophysiologie
Das Corpus callosum verbindet die beiden Hemisphären über mehrere Millionen Nervenfasern. Wird diese Verbindung unterbrochen, können sensorische, motorische und kognitive Informationen nicht mehr interhemisphärisch integriert werden. Die Hemisphären arbeiten dann weitgehend autonom: Während die linke Hemisphäre meist sprachdominant ist, übernimmt die rechte vorwiegend visuell-räumliche und emotionale Funktionen.
Klinik
Im Alltag sind viele Patienten weitgehend unauffällig, da kortikale Kompensationsmechanismen bestehen. Unter experimentellen Bedingungen zeigen sich jedoch charakteristische Phänomene:
- Bei lateralisiert dargebotenen Reizen können Informationen, die nur die rechte Hemisphäre erreichen (z.B. über das linke Gesichtsfeld), nicht sprachlich benannt werden.
- Es kann zu intermanuellen Konflikten kommen, bei denen die Hände gegensätzliche Handlungen ausführen.
- Häufig bestehen Defizite in der bimanualen Koordination und in der Integration komplexer Wahrnehmungen.
Diagnostik
Die Diagnose stützt sich auf Anamnese, neurologische Untersuchung und spezifische neuropsychologische Tests (z.B. Tachistoskopie). Bildgebende Verfahren wie MRT oder DTI können eine strukturelle Schädigung des Corpus callosum nachweisen.
Differentialdiagnosen
Abzugrenzen sind angeborene Balkenagenesien, fokale Läsionen einer Hemisphäre, Demyelinisierungen sowie andere Disconnection-Syndrome.
Therapie
Eine kausale Behandlung der Disconnection selbst ist nicht möglich. Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung; im Vordergrund stehen die Kontrolle epileptischer Anfälle, die neuropsychologische Betreuung und adaptive Trainings zur Förderung kompensatorischer Strategien.
Prognose
Die funktionelle Beeinträchtigung hängt vom Ausmaß der Durchtrennung und der Plastizität des Gehirns ab. Viele Patienten sind im Alltag gut kompensiert, zeigen jedoch in Tests anhaltende Defizite der interhemisphärischen Integration.
Literatur
- Gazzaniga, M. S. (2005). Forty years of split-brain research and still going strong. Nature Reviews Neuroscience, 6(8), 653–659. https://doi.org/10.1038/nrn1723
- Encyclopaedia Britannica. Split-brain syndrome. https://www.britannica.com/science/split-brain-syndrome