Spiegel-Berührungs-Synästhesie
Englisch: mirror-touch synesthesia
Definition
Die Spiegel-Berührungs-Synästhesie ist ein seltenes neurologisches Phänomen. Sie bezeichnet eine Sonderform der Synästhesie, bei der visuelle Wahrnehmungen von Berührungen an anderen Personen beim Betroffenen selbst zu taktilen Empfindungen führen.
Hintergrund
Betroffene nehmen körperliche Berührungen wahr, die sie an anderen Individuen beobachten. Diese sensorische Reaktion manifestiert sich typischerweise auf der korrespondierenden, spiegelbildlichen Körperseite des Beobachtenden. Aus diesem Merkmal ergibt sich die Bezeichnung mirror-touch (Spiegel-Berührung).
Epidemiologie
Verlässliche Daten zur Epidemiologie fehlen derzeit (2025).
Ätiologie
Die Ursache des Phänomens ist nicht abschließend geklärt (2025). Neurophysiologisch wird eine Hyperaktivität des Spiegelneuronensystems vermutet. Spiegelneuronen sind Nervenzellen, die sowohl aktiv sind, wenn ein Individuum eine Handlung selbst ausführt, als auch, wenn es beobachtet, wie ein anderer diese Handlung ausführt. Normalerweise bleibt die Aktivierung dieser Neuronen beim Beobachten fremder Berührungen unterschwellig. Bei Menschen mit Spiegel-Berührungs-Synästhesie scheint diese Hemmung reduziert zu sein. In der Folge kommt es zu einer fehlerhaften Integration von Selbst- und Fremdwahrnehmung im somatosensorischen Kortex. Somit werden visuell beobachtete Berührungen fälschlicherweise als auf den eigenen Körper bezogen interpretiert.
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst standardisierte Verhaltensbeobachtungen, subjektive Befragung und gegebenenfalls bildgebende Verfahren.
In experimentellen Settings werden Testpersonen gezielt mit Videos oder Live-Szenen konfrontiert, in denen andere Personen an spezifischen Körperstellen berührt werden. Die Betroffenen geben an, diese Berührungen selbst zu spüren, oft mit hoher Genauigkeit hinsichtlich Lokalisation, Art und Intensität. Fragebögen zur Synästhesie und neuropsychologische Interviews können das klinische Bild zusätzlich präzisieren.
Funktionelle Bildgebung wie funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) kann unterstützend eingesetzt werden, um die Aktivierung sensorischer Areale nachzuweisen. Typischerweise zeigt sich bei Betroffenen eine signifikant verstärkte Aktivierung in Arealen des somatosensorischen Kortex, die typischerweise nur bei Eigenberührungen aktiv sind.
Therapie
Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt. Da die Betroffenen das Phänomen häufig als neutral oder sogar bereichernd empfinden, besteht meist kein Behandlungsbedarf. In Fällen von Überstimulation, emotionaler Belastung oder funktionellen Beeinträchtigungen, können psychotherapeutische Interventionen eingesetzt werden. Diese umfassen Verfahren zur Reizfilterung, Distanzierung oder Körperwahrnehmungsschulung.
Quellen
- Wikipedia, Mirror-touch synesthesia
- Ward et al: Explaining mirror-touch synesthesia, Cogn. Neuosci., 2015
- Linkovski et al.: Mirror Neurons and Mirror-Touch Synesthesia. The Neuroscientist, 2016