Sextortion
von englisch: sex - Geschlechtsverkehr, extortion - Erpressung
Definition
Sextortion ist ein Form der Erpressung, bei welcher der Täter droht, intime bzw. sexuelle Darstellungen des Opfers zu veröffentlichen oder an Angehörige weiterzuleiten. In der Regel findet der Täter seine Opfer im Internet und bringt diese dazu, ihm Bilder oder Videos zuzusenden, woraufhin die Erpressung erfolgt. Teilweise werden Daten von den Tätern auch durch Hacking erbeutet.[1]
Wenn Minderjährige Opfer von Sextortion werden, spricht Europol von „sexueller Nötigung und Erpressung von Kindern im Internet.“
Prozessmodell
Fangzhou Wang entwickelte ein fünfstufiges Modell, welches den Prozess der Sextortion konzeptualisiert.[2]
Person-Umwelt-Begegnung
In der ersten Phase baut der Täter häufig ein Vertrauensverhältnis zum Opfer auf. Viele Opfer versenden freiwillig private Bilder von sich selbst, die von den Tätern dann zu einer Erpressung genutzt werden.
Erpressung
In dieser Phase beginnt die Erpressung. Ziel der Täter kann es sein, Geld zu erpressen. Sadistisch motivierte Tätergruppen zwingen die Opfer jedoch auch zu erniedrigendem Verhalten, zu Straftaten oder zur Zusendung von weiterem inkriminierenden Material.
Bewertung und Bewältigung des Erlebten
In dieser Phase wird zwischen der emotionsfokussierten und der problemfokussierten Bewältigungsstrategie unterschieden. Je nach Art der Erpressung reagieren Opfer unterschiedlich auf den Erpressungsversuch.
Die emotionsfokussierte Bewältigungsstrategie zeichnet sich dadurch aus, dass aufgrund von Emotionen wie Angst, Panik oder Scham auf die Forderungen der Täter eingegangen wird.
Die problemorientierte Bewältigungsstrategie ist mit proaktivem Verhalten assoziiert. Dazu zählt das Offenbaren gegenüber Familienmitgliedern oder das Hinzuziehen von Strafverfolgungsbehörden.
Erneute Erpressung
In dieser Phase stellen die Täter erneut Forderungen, worauf Opfer häufig proaktiver begegnen und eher auf eine problemorientiere Bewältigungsstrategie zurückgreifen.
So werden Täter teilweise blockiert oder aber emotional unter Druck gesetzt, indem beispielsweise das Opfer mit Suizid droht oder sich als Minderjähriger ausgibt oder zu erkennen gibt.
Neubewertung
In dieser Phase finden Reflektionsprozesse statt. Opfer tendieren rückblickend dazu, problemorientierte Bewältigungsstrategien zu bevorzugen und raten häufig von Zahlungen an die Erpresser ab.
Risikofaktoren
Ein bedeutender Risikofaktor ist ein junges Alter; viele der Opfer sind minderjährig. Männer sind häufiger als Frauen betroffen.[1]
Es gibt Hinweise, dass einige Tätergruppen Opfer in gesellschaftlichen Randgruppen suchen, da diese über weniger soziale Unterstützung verfügen und sich damit leichter über einen längeren Zeitraum viktimisieren lassen.[1]
Prävalenz
Die Angaben zur Prävalenz von Sextortion liegen in Online-Surveys zwischen 8 und 19%.[3] Die Angaben in den verschiedenen Ländern schwanken. Es kann von einer Dunkelziffer ausgegangen werden, da Opfer häufig aus Scham keine Hilfsangebote aufsuchen.[2] Ergebnisse von Befragungen weisen darauf hin, dass bis zu ca. 50% der Opfer minderjährig sind und ca. 25% der Opfer unter 14 Jahre alt sind.[4]
Klinik
Unspezifische Verhaltensänderungen und Stressreaktionen können ein Hinweis darauf sein, dass ein Mensch Opfer von Sextortion geworden ist. Einige Opfer von Sextortion begehen Suizid oder Suizidversuche.
Teilweise ist der Suizid der Opfer von sadistisch motivierten Tätern intendiert. Dies gilt insbesondere für global agierende kriminelle Netzwerke wie Order of Nine Angles(O9A), No Lives Matter (NLL) oder 764. Mitglieder dieser Netzwerke nutzen Sextortion, um ihre Opfer zu schwersten Straftaten wie Amokläufen oder Morden zu zwingen oder treiben ihre Opfer gezielt in den Suizid.[1]
Ein spezifischer Hinweis darauf, dass jemand Opfer von Sextortion geworden ist, können sog. Fansigns sein. Hierbei werden Opfer der Sextortion gezwungen, sich Worte oder Symbole in die Haut zu ritzen oder zu tätowieren. Beispiele für derartige Tattoos sind Namen, Online-Aliasse, Gruppennamen sowie nationalsozialistische oder satanistische Symbole.[1]
Neben Fansigns können auch frische Schnitte, Kratzer, Blutergüsse, Bissspuren, Verbrennungen und das Tragen von langarmigen Kleidungsstücken bei warmen Temperaturen auf Sextortion hinweisen.[5] Ebenfalls können auffällige Verletzungen – insbesondere Schnitte oder Risse – im Genitalbereich Hinweise auf Sextortion sein.[6]
Bei fraglichen Hautveränderungen sollte exploriert werden, ob Hinweise auf Sextortion vorliegen. Insbesondere nach einem Suizid sollten auffällige Hautmodifikationen dokumentiert und bewertet werden.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Federal Bureau of Investigation.: Violent Online Networks Target Vulnerable and Underage Populations Across the United States and Around the Globe 2023
- ↑ 2,0 2,1 Sage Journals.: Breaking the silence: Examining process of cyber sextortion and victims’ coping strategies 2018
- ↑ Nicola Henry, Rebecca Umbach: Sextortion: Prevalence and correlates in 10 countries, Computers in Human Behavior, Volume 158, 2024, 108298, ISSN 0747-5632
- ↑ Barbara Horton , Christian Steffan, Marisa Weinand, Hauke Brettel: Sextortion - Intime Aufnahmen als Druckmittel, Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, Volume 18, 2024, ISSN 1862-7072
- ↑ Federal Bureau of Investigation.: Violent Online Groups Extort Minors to Self-Harm and Produce Child Sexual Abuse Material , 2025
- ↑ CBC, The fifth Estate: Enthüllung 764: Auf der Spur eines extremistischen „Kults“ von Online-Tätern (00:05:03), 2025
Weblinks
- Rechtsmedizinische Beratungsstelle (Institut für Rechtsmedizin - LMU München)
- Sextortion– Intime Aufnahmen als Druckmittel (Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie)
- Sextortion: Das Bundeskriminalamt warnt vor sexueller Erpressung im Internet (Polizei.de)
- Cybergrooming (Bundeskriminalamt)
- Online sexual coercion and extortion is a crime (Europol)
- Violent Online Networks Target Vulnerable and Underage Populations Across the United States and Around the Globe (Federal Bureau of Investigation)
- Tattoo Recognition in Screening for Victims of Human Trafficking (The Journal of Nervous and Mental Disease)