Polymorphie (Chemie)
von griechisch: poly - viel, morphe - Gestalt
Definition
Unter Polymorphie wird in der Chemie und Pharmazie das Phänomen verstanden, dass manche Verbindungen - je nach Zustandsbedingungen (z.B. Temperatur und Druck) - in verschiedenen kristallinen Formen existieren können, auch wenn ihre chemische Zusammensetzung gleich ist. Bei chemischen Elementen wird dieselbe Erscheinung als Allotropie bezeichnet.
Hintergrund
Durch Änderungen von Temperatur oder Druck kann man erreichen, dass sich verschiedene polymorphe Formen (auch Modifikationen genannt) ineinander umwandeln. Ist die Umwandlung einer in eine andere Modifikation wechselseitig möglich, so spricht man von Enantiotropie, erfolgt sie nur in eine Richtung, handelt es sich um Monotropie.
Polymorphe Formen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer chemisch-physikalischen Eigenschaften (Mechanik, Löslichkeit etc.) - ein besonders markantes Beispiel für diese Tatsache sind Graphit und Diamant, zwei mögliche Kristallmodifikationen des Kohlenstoffs.
Bedeutung im Arzneistoffsektor
Ein Großteil der am Markt befindlichen Wirkstoffe kann in mehreren Kristallformen vorkommen. Bei der Zulassung neuer Arzneistoffe wird deshalb die Vorlage adäquater Untersuchungen zu den verschiedenen polymorphen Formen verlangt. Vielfach wird sogar nur eine einzige Kristallmodifikation einer bestimmten Substanz von den Behörden zugelassen.
Dass eine Polymorphie zu Problemen führen kann, zeigt das Beispiel des Proteaseinhibitors Ritonavir: Eine der polymorphen Formen, später als Form II bezeichnet, war aufgrund der schlechteren Löslichkeit biologisch praktisch unwirksam, da mit ihr nur eine ungenügend hohe orale Bioverfügbarkeit erreicht werden konnte. Form II war gleichzeitig aber energetisch begünstigt und vermochte es deshalb, die biologisch aktive Form I (bei Kontakt) in die inaktive Form umzuwandeln. Die bis dahin vertriebenen Kapseln konnten aufgrund dessen nicht länger produziert werden. Eine veränderte Formulierung löste jedoch das Problem.
Weitere Informationen
Bauer et al: "Ritonavir: An Extraordinary Example of Conformational Polymorphism" http://link.springer.com/article/10.1023%2FA%3A1011052932607
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