Mentalisierung
Synonym: Mentalisierungsfähigkeit
Englisch: mentalization, reflective functioning
Definition
Mentalisierung bezeichnet die Fähigkeit, das eigene Verhalten sowie das Verhalten anderer Menschen auf der Basis innerer mentaler Zustände wie Gedanken, Gefühle, Wünsche oder Absichten zu verstehen und zu interpretieren. Es handelt sich um einen reflexiven Prozess, der es ermöglicht, Handlungen als Ergebnis mentaler Vorgänge zu begreifen.
Hintergrund
Der Begriff wurde insbesondere durch Peter Fonagy und Kollegen im Rahmen der Bindungs- und Mentalisierungstheorie geprägt. Mentalisierung entwickelt sich in einem interpersonellen Kontext, v.a. in der frühen Bindungsbeziehung, und stellt einen wesentlichen Entwicklungs- und Schutzfaktor für die psychische Gesundheit dar.
Klinische Bedeutung
Eine eingeschränkte Mentalisierungsfähigkeit wird mit verschiedenen psychischen Störungen in Verbindung gebracht, insbesondere mit:
- Borderline-Persönlichkeitsstörung, bei der eine labile Mentalisierungsfähigkeit (v.a. unter Stress) angenommen wird.
- Traumafolgestörungen, bei denen dysfunktionale oder fehlende Mentalisierung die Affektregulation beeinträchtigen kann.
Die Förderung von Mentalisierungsprozessen ist Ziel der Mentalisierungsbasierten Therapie (MBT), einem manualisierten therapeutischen Ansatz zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen und anderen Störungen mit interpersonellen Dysfunktionen.
Abgrenzung
Mentalisierung überschneidet sich mit Konzepten wie der Theory of Mind (ToM). Während ToM vor allem die kognitive Fähigkeit beschreibt, mentale Zustände anderer zu erkennen, betont Mentalisierung zusätzlich die affektive Einbettung und die dynamische Nutzung dieser Fähigkeit in Beziehungen.
Literatur
- Fonagy, P., Gergely, G., Jurist, E. L., & Target, M. (2002). Affect Regulation, Mentalization and the Development of the Self. New York: Other Press.
- Bateman, A. W., & Fonagy, P. (2016). Mentalization-based treatment for personality disorders: A practical guide. Oxford University Press.