Jerusalem-Syndrom
Englisch: Jerusalem syndrome
Definition
Als Jerusalem-Syndrom bezeichnet man ein psychiatrisches Phänomen, das bei Touristen auftreten kann, die Jerusalem besuchen. Es ist im Extremfall durch religiöse Wahnvorstellungen gekennzeichnet.
Geschichte
Früher wurde das Jerusalem-Syndrom auch als Jerusalem-Fieber bezeichnet.
Epidemiologie
Seit 1980 wird eine steigende Inzidenz von Touristen mit dem Jerusalem-Syndrom beobachtet. Deshalb wurde entschieden, alle betroffenen Touristen in eine zentrale psychiatrische Einrichtung in Jerusalem zu überweisen, das Kfar Shaul Mental Health Center. Allein von 1980 bis 1993 wurden 1.200 Touristen mit dem Jerusalem-Syndrom an das spezialisierte Zentrum weitergeleitet. Durchschnittlich werden 100 Patienten mit dem Jerusalem-Syndrom jährlich behandelt.[1]
Ätiologie
Es ist derzeit (2022) nicht geklärt, ob es sich beim Jerusalem-Syndrom um einen Rückfall einer unerkannten Schizophrenie handelt oder ob die Erkrankung eine eigenständige spezifische Störung ist. Darüber hinaus ist nicht klar, ob das Jerusalem-Syndrom eine Verschlimmerung einer chronischen psychischen Erkrankung darstellt oder es sich um eine psychotische Episode handelt, die nicht chronisch, sondern nur vorübergehend ist. Im internationalen Diagnoseschlüssel wird das Jerusalem-Syndrom nicht aufgeführt.
Einteilung
Es existieren verschiedene Typen und Subtypen des Jerusalem-Syndroms.
Typ I – Komorbidität einer psychotischen Erkrankung
Der Typ I des Jerusalem-Syndroms bezieht sich auf Personen, bei denen bereits vor ihrem Besuch in Jerusalem eine Psychose diagnostiziert wurde. Ursächlich für ihre Motivation, nach Israel zu reisen, sind oft Wahnvorstellungen, die sie zwingen, nach Jerusalem zu kommen. Der Typ I wird noch in verschiedene weitere Subtypen unterteilt:
- Subtyp 1 – Psychotische Identifikation mit biblischen Charakteren: Diese Personen identifizieren sich mit alt- oder neutestamentlichen Figuren bzw. sind davon überzeugt, selbst eine biblische Figur zu sein.
- Subtyp 2 – Psychotische Identifikation mit einer Idee: Identifikation mit einer bestimmten religiösen oder politischen Idee, die sie in Jerusalem umsetzen wollen.
- Subtyp 3 – "Magische Vorstellungen" über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und heiligen Stätten: Diese Personen haben starke Überzeugungen über Heilungsmöglichkeiten von Krankheiten im Zusammenhang mit der Stadt Jerusalem.
- Subtyp 4 – Zusammenhang mit familiären Problemen
Typ II – Nicht-psychotische Gedanken oder Obsessionen
Typ II ist häufig bei Menschen anzutreffen, die in organisierten Gruppen reisen. Dabei liegt meist eine Persönlichkeitsstörung mit starker Ideenfixierung vor, aber es kommt zu keiner veritablen Psychose.
Typ III – Diskrete Form des Jerusalem-Syndroms
Typ III umfasst Personen, die in ihrer Vorgeschichte keine Psychose aufweisen und während ihres Aufenthalts in Jerusalem eine psychotische Episode erleben. Nach ihrer Ausreise erholen sie sich in der Regel rasch. Die Personen weisen keine visuellen oder auditiven Halluzinationen auf. Sie wissen, wer sie sind und behaupten nicht eine biblische Person zu sein. Sie sind jedoch davon überzeugt, eine gewisse Mission zu haben, bei der sie nicht gestört werden möchten.
Literatur
- - Jerusalem-Syndrom: Hilfe, ich bin ein Heiliger!, abgerufen am 15.11.2022
Quellen
- ↑ Bar-el et al. Jerusalem syndrome, Cambridge University Press, 2018
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