Idealisierung (Psychologie)
Englisch: idealization
Definition
Als Idealisierung bezeichnet man einen psychischen Vorgang, bei dem ein Subjekt einem anderen Subjekt oder Objekt vollkommene Eigenschaften zuschreibt. Die Idealisierung wird zu den Abwehrmechanismen gezählt, da das Erkennen von negativen Eigenschaften ein Handeln nötig machen kann (z.B. Kündigung des Jobs, Trennung von einem Partner).
Hintergrund
Sigmund Freud führte den Begriff im Zusammenhang mit dem Narzissmus ein. Er beschrieb die Idealisierung als Verschiebung der Selbstliebe auf ein ideales Ich oder Objekt.
Entwicklungspsychologie
Die Idealisierung spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklungspsychologie. So werden in den ersten Lebensjahren die Eltern vom Kind idealisiert und ohne jegliche Schwächen und Fehler wahrgenommen. Im Verlauf der Entwicklung kommt es zur zunehmenden Ent-Idealisierung – diese spielt eine wichtige Rolle beim Ablöseprozess in der Adoleszenz.
Abwehrmechanismus
In der Psychoanalyse wird Idealisierung oft als Abwehrmechanismus betrachtet:
- Sigmund Freud und Otto Fenichel: Idealisierung hilft, die wahre Natur von Handlungen zu verschleiern und erhöht das Selbstwertgefühl durch die Erfüllung von Idealen.
- Objektbeziehungstheorie: Nach Melanie Klein schützt Idealisierung vor unbewussten Ängsten, indem "gute" und "böse" Aspekte eines Objekts getrennt werden. Dies dient dem Schutz des Selbst vor inneren Konflikten, wie sie in frühen Entwicklungsphasen auftreten.
Pathologische Aspekte
Idealisierung tritt vor allem bei Borderline- und narzisstischen Persönlichkeitsstörungen auf.
Eine übermäßige Idealisierung kann zur Verleugnung negativer Eigenschaften und zur Abspaltung von Konflikten führen, wie es bei manischen Zuständen beobachtet wird. Sie kann auch als Widerstand in der therapeutischen Arbeit wirken.
Therapeutische Bedeutung
Der Psychoanalytiker Heinz Kohut sieht in der Idealisierung einen heilungsfördernden Faktor. Idealisierung ermöglicht in der Behandlung narzisstischer Persönlichkeitsstörungen eine notwendige Verschmelzung mit einem idealisierbaren Selbstobjekt, wodurch das Selbstgefühl gestärkt wird. Diese "idealisierende Übertragung" wird während des Therapieverlaufs allmählich durch eine realistischere Wahrnehmung des Therapeuten abgelöst.
Quelle
- Mertens, Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe, 5. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, 2022