Gibbs-Artefakt
nach dem US-amerikanischen Mathematiker und Physiker Josiah Willard Gibbs (1839–1903)
Englisch: Gibbs artifact, ringing artifact
Definition
Das Gibbs-Artefakt ist ein typisches MRT-Artefakt, das sich als serielle helle und dunkle Linien parallel zu scharfen Kontrastgrenzen zeigt. Es tritt bevorzugt an Übergängen mit abrupten Intensitätsänderungen auf, z.B. an der Grenze zwischen Liquor und Rückenmark, zwischen Schädelknochen und Gehirn oder entlang der inneren Schädelkalotte.
Hintergrund
MRT-Bilder werden aus dem k-Raum rekonstruiert. Dabei wird der k-Raum als endlich abgetastete Fourier-Darstellung des Objekts aufgenommen und per inverser Fourier-Transformation in den Bildraum überführt.
An Übergängen mit hohem Kontrast entstehen mathematisch sogenannte Sprungstellen. Die ideale Fourier-Reihe enthält dort unendlich viele Hochfrequenzanteile. Da in der MRT nur eine begrenzte Anzahl von Frequenzen (Matrixgröße und Phase-Encoding-Schritte) erfasst wird, entsteht eine unvollständige Approximation der Kante. Dadurch bilden sich oszillierende Nebenmaxima neben der eigentlichen Signalgrenze ("Ringing").
Bildgebung
In der MRT zeigt sich das Gibbs-Artefakt als eine Abfolge feiner, alternierend heller und dunkler Linien, die beidseits einer scharfen Kontrastgrenze verlaufen. Diese Linien sind stets parallel zur jeweiligen Grenzfläche orientiert und wirken wie ein "Ringing" entlang der Kante. Die Ausprägung kann je nach Richtung der begrenzten Abtastung sowohl in Phasenkodier- als auch in Frequenzkodier-Richtung sichtbar werden.
Besonders deutlich tritt das Artefakt dort auf, wo abrupte Signalwechsel bestehen, etwa an der inneren Schädelkalotte oder an der Grenze zwischen Liquor und Rückenmark. Bei geringer Matrix oder zu wenigen Phasenkodierschritten erscheinen die Linien breiter und kontrastreicher, während sie bei höherer Abtastdichte schmaler werden und deutlich an Intensität verlieren.
Klinische Relevanz
Das Gibbs-Artefakt ist diagnostisch relevant, weil es Pathologien vortäuschen kann. Häufige Verwechslungen sind:
- Syringomyelie im Zervikalmark
- subarachnoidale Blutung/Liquorraumveränderungen durch Pseudobänder
- kortikale Läsionen an der Kalotte
Hinweise zur Abgrenzung von echten Pathologien ergeben sich aus typischen Merkmalen des Artefakts:
- Das Artefakt folgt Kanten streng parallel
- Es verschwindet bzw. ändert sich bei höherer Matrix oder anderer Rekonstruktion
- Es ist klinisch und in anderen Sequenzen meist inkonsistent
Literatur
- Bashir et al., Gibbs and truncation artifacts, Radiopaedia, 2025
- Gallagher et al., An introduction to the Fourier transform: relationship to MRI, AJR Am J Roentgenol, 2008