Genkopplung
Synonym: Kopplung
Englisch: genetic linkage
Definition
Molekularbiologie
Je näher die räumliche Position zweier Gene ist, desto seltener werden sie während der Meiose getrennt. Umgekehrt steigt die Rekombinationswahrscheinlichkeit mit der Entfernung der Gene zueinander.
Für jedes gekoppelte Genpaar erhält man einen charakteristischen Prozentsatz von Rekombinanten, die durch Crossing-over entstehen. Man nennt diesen Prozentsatz der Entkoppelung zweier Gene deren Austauschwert. Aus der Höhe der Austauschwerte lässt sich ableiten, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Chromatidenbruch zwischen zwei Genen und damit für ein Crossover mit dem Abstand der Gene voneinander wächst. Daher ist der Austauschwert ein relatives Maß für den Abstand der Gene auf dem Chromosom. Der Austauschwert gekoppelter Gene ist unter konstanten Bedingungen stets gleich.
Werden zwei Gene in einem Fall pro 100 Meiosen getrennt, besitzen sie per Definition einen Abstand von 1 centiMorgan (cM). Beim Menschen entspricht ein 1 cM ungefähr 1 Million Basenpaaren.
Experimenteller Hintergrund
Thomas H. Morgan nutzte Anfang des 20. Jahrhunderts die Fruchtfliege Drosophila melanogaster für seine genetischen Forschungsarbeiten. Gemeinsam mit einem seiner Mitarbeiter untersuchte er die Vererbung von Merkmalen, die von denen des Wildtyps deutlich abweichen.
Kreuzungsversuch: Reinerbige Weibchen + mischerbige Männchen
Morgan wählte für seinen Kreuzungsversuch Weibchen eines Laborstammes, die einen schwarzen Körper (black, Allel b) und verkümmerte Flügeln (vestigal wings, Allel vg) aufwiesen und Wildtypmännchen mit grauem Körper und normal ausgebildeten Flügeln. Die Weibchen waren bezüglich der Merkmale reinerbig (b/b und vg/vg), die Männchen hingegen mischerbig (b+/b und vg+/vg). Die hochgestellten Pluszeichen kennzeichnen Wildtypallele. Morgan erhielten als Nachkommen die Phänotypen der Eltern, also graue normalflügelige und schwarze stummelflügelige Drosophila melanogaster, und zwar im Verhältnis 1:1. Vergleicht man dieses Resultat mit der dritten Mendel-Regel (Unabhängigkeitsregel), hätte man vier unterschiedliche Phänotypen erhalten müssen, und zwar im Verhältnis 1:1:1:1.
Morgan und Mitarbeiter schlossen daraus, dass die Gene für die Körperfarbe sowie der Flügelform nicht frei kombinierbar sind. Sie werden also gekoppelt weitergegeben. Die Kopplung erklärten die Wissenschaftler damit, dass die Gene gemeinsam auf ein und demselben Chromosom liegen müssen. Dementsprechend bilden auch alle Allele eines Chromosoms eine Kopplungsgruppe. Weitere Experimente ergaben, dass bei Drosophila insgesamt vier Kopplungsgruppen vorkommen. Sie entsprechen der Anzahl der Chromosomen im haploiden Chromosomensatz einer Drosophila.
Kreuzungsversuch: Mischerbige Weibchen + reinerbige Männchen
Als Morgan reziproke Kreuzungen mit mischerbigen Weibchen und reinerbigen Männchen durchführte, fielen die Kreuzungsergebnisse anders aus. Dabei traten zwar ebenfalls die Elterntypen auf, aber nur zu jeweils 40 bzw. 41%. Die restlichen 19% waren Rekombinanten, je etwa zur Hälfte mit einem grauen Körper und Stummelflügeln und einem schwarzen Körper und normalen Flügeln. Dabei hatten die mischerbigen Weibchen offensichtlich vier verschiedene Eizellen produziert, solche mit b vg, b+ vg+, b vg+ und b+ vg. Morgan schloss daraus, dass bei den Weibchen während der Meiose die Gene der Kopplungsgruppen eines Chromosoms wieder entkoppelt werden können. So sind rekombinante Phänotypen die Folge. Außerdem führte er den Austausch von Genen zwischen homologen Chromosomen auf Crossover zurück. Da bei der Kreuzung mit den heterozygoten Männchen keine Rekombinanten entstanden, vermutete Morgan, dass bei der Spermienproduktion kein Crossover stattfindet.
Literatur
- "Lindner Biologie, Gesamtband" - Hermann Lindner, Schroedel-Verlag, 23. Auflage
um diese Funktion zu nutzen.