Aktive Insuffizienz
Englisch: active insufficiency
Definition
Eine aktive Insuffizienz liegt vor, wenn ein Muskel bereits voll verkürzt ist, aber eine von ihm bediente Gelenkfunktion noch nicht die maximal mögliche Endstellung erreicht hat.
Physiologie
Bei der aktiven Insuffizienz hat der Muskel seine maximale Hubhöhe erreicht. Das Gelenk könnte noch weiter bewegt werden, der Muskel ist aber nicht mehr dazu in der Lage.
Die aktive Insuffizienz ist typisch für zweigelenkige ("biartikuläre") Muskeln. Sie üben nicht auf alle von ihnen bedienbaren Gelenkfunktionen die maximale Wirkung aus. In manchen Kombinationen von Gelenkstellungen ist ihr Verkürzungspotential in Bezug auf die Bewegungen an denen sie beteiligt sind, quasi "zu gering". Deshalb ist hier die aktive Insuffizienz physiologisch. Bei eingelenkigen Muskeln ist eine aktive Insuffizienz pathologisch.
Nach der Gleitfilamenttheorie beruht aktive Insuffizienz darauf, dass Muskeln unterhalb einer Sarkomerlänge von ca. 1,5 µm keine konzentrische Kontraktion mehr ausführen können, weil die beiden Proteine Aktin und Myosin in den relevanten Bereichen schon eine vollständige Überdeckung erreicht haben.
In der Praxis erreichen nicht unbedingt alle Muskeln jene Winkelkonfiguration der beteiligten Gelenke, bei der die aktive Insuffizienz auftreten würde, da zuvor die passive Insuffizienz auftritt. In dem Fall ist die Flexibilität mindestens eines Antagonisten erschöpft.
Beispiel
Im Kniegelenk kann durch die aktive Insuffizienz der Beugemuskulatur bei Neutral-Null-Stellung der Hüfte eine Flexion von 125° nicht überschritten werden. Erst bei zusätzlicher Flexion im Hüftgelenk können 140° erreicht werden. Je weiter die Hüfte in Extension geht, desto weniger Flexion im Kniegelenk ist möglich.
siehe auch: passive Insuffizienz