Abrechnung medizinischer Leistungen bei Asylbewerbern
Definition
Die Abrechnung medizinischer Leistungen bei Asylbewebern erfolgt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ( AsylbLG). Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde im Jahr 1993 verabschiedet und beinhaltet verschiedene Regelungen über die Leistungen, die Asylbewerber, Geduldete oder andere Ausländer mit bestimmten Aufenthaltsstatus beanspruchen können.
Hintergrund
Der Paragraph 4 AsylbLG regelt die medizinische Routineversorgung und legt fest, welche Leistungen durch das zuständige Sozialamt verpflichtend zu übernehmen sind. Der Verweis auf "akute Erkrankungen" im Absatz 1 beinhaltet auch die Kostenübernahme für die Behandlung chronischer Erkrankungen, sofern diese sich unbehandelt innerhalb weniger Wochen verschlechtern würden (z.B. Epilepsie, Diabetes, Depression). Die Einschränkung "akut" bezieht sich zudem nur auf die Erkrankungen, nicht auf die Schmerzen. Eine Schmerzbehandlung muss stets vom Sozialamt übernommen werden.
Der Gesetzestext lautet:
- Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.
- Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren. [...]
In Parapgraph 6 sind Zusatzleistungen geregelt, die im Einzelfall übernommen werden können. Dieser individuelle Prozess ist für Patienten und behandelnde Ärzte und Ärztinnen mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Damit Leistungen nach § 6 AsylbLG übernommen werden können, muss der behandelnde Arzt/die Ärztin vorab einen Antrag auf Kostenübernahme beim zuständigen Sozialamt stellen.
Der Gesetzestext lautet:
- Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren.
- Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt.“ (7)
Medizinethischer Konflikt
Die vom AsylbLG angestrebte, am Aufenthaltsstatus orientierte Versorgung von Patienten kann in Konfilkt mit den ethischen Grundprinzipien des Arztberufs gelangen. Über die Deklaration von Genf und die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer sind Ärzte ethisch gehalten, jedem Menschen die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen und keine Unterschiede in der Behandlung aufgrund des sozialen bzw. gesellschaftlichen Status zu machen. Durch die Regelungen des Gesetzes und daraus resultierende Einschränkungen in der medizinischen Versorgung kann es im konkreten Einzelfall schwierig sein, diesem ethischen Anspruch gerecht zu werden.
Praktisches Vorgehen
Die Anträge gehen vom Arzt/der Ärztin zum Sozialamt, wo die Indikation und Begründung einer Behandlung geprüft und eventuell unter Konsultation eines Amtsarztes entschieden wird, ob der Antrag abgelehnt oder angenommen wird. Eine ausführliche Beschreibung und individuelle Begründung über die Notwendigkeit der jeweiligen Behandlung kann hilfreich sein und am Ende darüber entscheiden, ob ein Zusatzantrag angenommen oder abgelehnt wird. Es kann vorteilhaft sein, für die Sachbearbeiter einen kurzen, in verständlicher Sprache verfassten Brief zu verfassen und einen separaten Arztbrief mit den medizinischen Fakten für den Amtsarzt/die Amtsärztin mitzuschicken. Man sollte möglichst eine Telefonnummer angeben, an die sich die Sachbearbeiter bei Nachfragen wenden können.
Quellen
- Classen, Georg (2016): Asylbewerber. In: Frank Jäger und Harald Thomé (Hg.): Leitfaden Alg II/Sozialhilfe von A-Z. Ein praktischer Ratgeber für alle, die Arbeitslosengeld II/Sozialhilfe beziehen müssen und über ihre Rechte informiert werden wollen. Frankfurt am Main: DVS, S. 45–65.
- Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste (2016): Sachstand Medizinische Untersuchung von Flüchtlingen. Berlin.