ANLS-Hypothese
Definition
Die ANLS-Hypothese, kurz für Astrozyten-Neuronen-Laktat-Shuttle-Hypothese, beschreibt ein Modell des zellulären Energiestoffwechsels im Gehirn. Dabei nehmen Astrozyten Glukose aus dem Blut auf und verstoffwechseln sie glykolytisch zu Laktat. Das entstehende Laktat wird an Neurone weitergegeben und dient dort als Substrat für die oxidative ATP-Gewinnung.
Der beschriebene Mechanismus wird als funktionelle Arbeitsteilung interpretiert: Astrozyten übernehmen primär die glykolytische Energiegewinnung, während Neurone bevorzugt oxidativ aktiv sind.
Hintergrund
Obwohl Neurone den Großteil des Energiebedarfs im Gehirn haben, ist nicht abschließend geklärt, ob sie diesen direkt über Glukose oder indirekt über Astrozyten-vermittelten Laktatimport decken. Die ANLS-Hypothese wird durch mehrere Beobachtungen gestützt:
- Astrozyten, die für die Aufrechterhaltung der Blut-Hirn-Schranke verantwortlich sind, haben direkten Zugang zu kapillärem Blut und nehmen Glukose über GLUT1-Transporter auf.
- Glukose wird in Astrozyten durch Laktat-Dehydrogenase Isoform 5 in Laktat umgewandelt.
- Der Laktat-Export erfolgt über die Monocarboxylat-Transporter MCT1 und MCT4, der Import in Neurone über den hochaffinen MCT2.
- In Neuronen wird das Laktat durch die Laktat-Dehydrogenase Isoform 1 zu Pyruvat konvertiert und in den Citratzyklus eingeschleust.
Diese metabolische Koppelung erlaubt es Neuronen, Glykolyse-Bypässe zu nutzen, oxidativ effizient ATP zu generieren und Glukose für andere zelluläre Prozesse, etwa den Pentosephosphatweg, zu reservieren. Zudem fallen so in den Neuronen weniger reaktive Sauerstoffspezies an.
Die ANLS-Hypothese ist wissenschaftlich umstritten, wird aber durch experimentelle Befunde gestützt. Sie bietet ein Erklärungsmodell für metabolische Kooperation im ZNS und hat potenzielle Relevanz für das Verständnis neurodegenerativer Erkrankungen sowie neuronaler Plastizität und Lernprozesse.
Literatur
- Barros et al: Glucose and lactate suooly to the synapse, Brain Research Reviews, 2010
- Magistretti et al: Energy on demand, Science, 1999