Proximaler Tubulus
Synonym: Tubulus proximalis
Abkürzung: PT
Englisch: proximal tubule
Definition
Der proximale Tubulus ist ein Abschnitt des Tubulussystems im Nephron, der funktionellen Einheit der Niere.
Histologie
Mikroskopische Topographie
Der proximale Tubulus entspringt am Harnpol der Bowmanschen Kapsel. Er endet mit dem Übergang in den dünneren Intermediärtubulus der Henle-Schleife. Dieser Übergangsbereich bildet die Trennung von Außen- und Innenstreifen des äußeren Nierenmarks.
Man unterscheidet nach ihrem Aspekt zwei Anteile des proximalen Tubulus:
- Pars convoluta bzw. Pars contorta (PCT): Der erste, geschlängelt verlaufende Abschnitt. Er windet sich durch das Rindenlabyrinth.
- Pars recta: Der daran anschließende, gerade Teil des Tubulus. Er ist konstitutiv für den Außenstreifen, den er zusammen mit den Partes rectae der distalen Tubuli bildet.
Epithel
Der Nierentubulus ist ein Röhrchen aus einschichtigem kubischen Resorptionsepithel, das einer Basalmembran ohne stärkere Barriereeigenschaften aufliegt. Die Zellverbindungen bestehen aus durchlässigen, "undichten" Tight Junctions. Lumenseitig ist das Epithel mit einem hohen Bürstensaum ausgestattet.
Auf der Seite, welcher der Basalmembran zugewandt ist, weisen die Epithelzellen einen hohen Mitochondriengehalt und eine extensive Zellinterdigitation auf. Sie vergrößert – vergleichbar mit dem Bürstensaum der Lumenseite – die Diffusionsfläche der Zellen gegenüber Interstitium und den Blutgefäßen.
Besondere Strukturen
Besondere Strukturen beziehungsweise Strukturmerkmale sind
- die bereits erwähnte basolaterale Zellinterdigitation
- der Endozytose-Apparat, der der Rückresorption und dem Abbau von Proteinen dient, die im glomerulären Filter nicht zurückgehalten wurden.
Physiologie
Überblick
Die starke Oberflächenvergrößerung sowohl der luminalen als auch der basolateralen Membranabschnitte ist ein Hinweis auf die hohen Diffusionsraten zwischen Lumen und Zelle einerseits sowie zwischen Zelle und Interstitium andererseits. Sie zeugt von einer hohen Sekretions- wie auch Rückresorptionsaktivität in diesem Tubulusabschnitt.
So werden etwa zwei Drittel des im Primärharn befindlichen Wassers und NaCl, 90% des Bikarbonats und 99% der Glukose in diesem Abschnitt rückresorbiert. Dieser Tubulus weist also hohe Transportraten auf. Allerdings geht man davon aus, daß er keine besonders hohen Konzentrationsgradienten aufbauen kann.
Sekretion und Resorption
- Transzellulär resorbiert werden vor allem Glukose, Aminosäuren, Natrium-Kationen, Wasser und Kohlenstoffdioxid
- Parazellulär resorbiert werden Ca2+-Ionen und Chlorid-Anionen. Sie nehmen den direkten Weg über die "undichten" Tight junctions ohne Umweg durch die Zelle. Antriebskräfte für diese Resorption sind zum einen die transepitheliale Potentialdifferenz, zum anderen der Solvent Drag.
- Sezerniert werden H3O+- und Hydrogencarbonat-Ionen.
Die Energie für diesen überwiegend passiven Transport von H2O, H3O+, Hydrogencarbonat und CO2 beruht größtenteils auf Konzentrationsgradienten. Zur Aufrechterhaltung dieser Gradienten besitzt die Epithelzelle in diesem Tubulusabschnitt sowohl an der apikalen Membran als auch im Zellinneren eine hohe Carboanhydrase-Aktivität.
Um den Austausch über das gesamte Epithel aufrechtzuerhalten und das innerzelluläre Milieu zu stabilisieren, verfügt die basolaterale Membran über die gleiche Diffusionskapazität wie ihr lumenseitiger Gegenpart. Die Basalmembran selbst stellt kein bedeutendes Diffusionshindernis dar.
Über die basolaterale Zellmembran werden ausgetauscht
- in Richtung Interstitium: Glukose, Aminosäuren, Natrium-Ionen und Wasser
- in Richtung Zellinnerem: überwiegend Kalium.
Zahlreiche weitere Substanzen werden ausgetauscht. Hierzu wird auf die Fachliteratur verwiesen.
Kanäle
Sowohl basolateral als auch apikal besitzt die Epithelzelle eine Vielzahl von Poren und passiven, sekundär-aktiven und aktiven Kanälen, wobei letztere – in der basolateralen Membran liegend – die bereits erwähnte hohe Mitochondriendichte auf dieser Seite als funktional zweckgerichtet unterstreichen.
Im Einzelnen finden sich
- wasserdurchlässige Poren vom Typ Aquaporin 1 (ADH-unabhängig)
- Co-Transporter für den vom Natrium-Gradienten abhängigen Transport von Glukose (SGLT-1, SGLT-2) und Aminosäuren
- sekundär-aktive Na+/H+-Antiporter
auf luminaler Seite. Außerdem diffundiert hier CO2 dem Partialdruckgefälle folgend durch die Zellmembran.
Basolateral findet sich als bedeutendster Transporter die Na+/K+-ATPase, die die Energie für die anderen Transportprozesse liefert.
Außerdem verlassen Glukose (über GLUT2-Uniporter) und Aminosäuren die Zelle sowie Natrium und Hydrogencarbonat über einen Symporter ohne Auswirkungen auf den elektrischen Gradienten (weil entgegengesetzt geladen und äquimolar).
Pathophysiologie
Zahlreiche Krankheiten sind auf Transportdefekte im proximalen Tubulus zurückzuführen. In der Regel handelt es sich um hereditäre Defekte, da sie direkt auf fehlende oder übermäßige Exprimierung von Kanalproteinen zurückzuführen sind. Beispielhaft seien erwähnt:
- Glukose-Galaktose-Malabsorption (SGLT-1-Defekt)
- Isolierte renale Glukosurie (SGLT-2-Defekt, noch nicht vollständig verstanden)
- Proximal-tubuläre Azidose (Carboanhydrase-Mangel).
Podcast
Bildquelle
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Literatur
- Renate Lüllmann-Rauch: Histologie. Verstehen - lernen - nachschlagen, Stuttgart (Thieme) 2003, S. 379ff.
- Robert F. Schmidt (Hrsg.)/Florian Lang (Hrsg.): Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie, Heidelberg (Springer) 2007 (30. Auflage), S. 693ff.