Kernspintomographie
Synonyme: Magnetresonanztomographie, MRT, Kernspintomographie, KST, Kernspin-Resonanz-Tomographie
Englisch: magnet resonance imaging, MRI, nuclear magnetic resonance, NMR
Definition
Die Kernspintomographie, kurz MRT oder KST, ist ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung des menschlichen Körpers. Sie gehört zur Untergruppe der Schnittbildverfahren.
Sie arbeitet im Gegensatz zur Röntgenuntersuchung nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit sehr starken, konstanten Magnetfeldern und Radiowellen.
Funktionsprinzip
Spin
Die Untersuchungsmethode beruht auf dem physikalischen Prinzip, dass Atomkerne mit ungerader Protonen- oder Neutronenzahl über einen Eigendrehimpuls, den sog. Spin verfügen. Sie werden dadurch zu winzigen Magneten. Der für die Messung geeignetste Atomkern ist das Wasserstoffatom, aber auch 14N, 31P, 23Na und 19F können herangezogen werden. Daher liefert das MRT vor allem von wasserhaltigen Geweben sehr genaue und differenzierte Darstellungen, z.B. von inneren Organen, Gelenkknorpel, Meniskus, Rückenmark und Gehirn.
Magnetfeld
Im Normalzustand sind die Spins ungeordnet. Legt man jedoch ein starkes Magnetfeld an, richten sich die Atomkerne wie eine Kompassnadel parallel oder antiparallel zur Feldrichtung aus und vollführen eine Kreiselbewegung um die Feldlinien des äußeren Magnetfeldes, die man auch als Präzessionsbewegung bezeichnet. Die Frequenz dieser Bewegung wird Larmorfrequenz genannt.
Hochfrequenzimpuls
Die Ausrichtung der Kernspins allein würde noch keine Bilddarstellung erzeugen. Deshalb wird senkrecht zur Richtung des Magnetfelds ein kurzer Hochfrequenzimpuls eingestrahlt. Die Frequenz des Impulses (Resonanzfrequenz) entspricht dabei der Lamorfrequenz. Der Impuls hat folgende Konsequenzen:
- Die längs des äußeren Magnetfelds ausgerichteten Kernspins werden kurz zum "Schlingern" gebracht bzw. "umgeklappt".
- Die Kreiselbewegung (Präzession) aller Atomkerne wird kurzzeitig synchronisiert (sogenannte Phasenkohärenz). Dadurch entsteht eine senkrecht zu den Feldlinien des äußeren Magnetfelds verlaufende Transversalmagnetisierung.
T1-Relaxation
Nach dem Impuls richten sich die Kernspins wieder entlang des äußeren Magnetfelds aus und geben dabei Energie in Form von Wärme an die Umgebung ab. Diesen Prozess der Wiederausrichtung, genauer gesagt des Wiederaufbaus der Längsmagnetisierung, bezeichnet man als "T1-Relaxation". Er hängt wesentlich von der Wärmeleitfähigkeit des Gewebes ab. Gewebe mit schnellem Wärmetransfer (z.B. Fettgewebe) stellen sich in T1-gewichteten Bildern hell dar, Gewebe mit langsamem Wärmetransfer dunkel (z.B. Liquor).
T2-Relaxation
Es kann jedoch noch ein weiterer Aspekt gemessen werden. Mit dem Ausschalten des Hochfrequenzimpulses verlieren die Atomkerne auch ihre phasensynchrone Kreiselbewegung. Der damit verbundene Rückgang der Transversalmagnetisierung wird als T2-Relaxation bezeichnet. Gewebe, die eine Transversalmagnetisierung relativ lange aufrechterhalten können, stellen sich in T2-gewichteten Bildern hell dar (z.B. Wasser).
MRT-Geräteparameter
Durch Veränderung der Geräteparameter (MRT-Systemparameter), z.B. der Pulswiederholzeit (TR) oder der Echozeit (TE) kann man am MRT unterschiedliche Wichtungen einstellen:
- T1-gewichtete Bilder (T1w)
- T2-gewichtete Bilder (T2w)
- T2*-gewichtete Bilder (T2*w)
- Protonendichte-gewichtete Bildgebung (PD-Gewichtung)
- Diffusionsgewichtete Bildgebung (DW-MRT): wird u.a. in der Schlaganfalldiagnostik eingesetzt (Perfusions-MRT)
- Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung (SWI): zur Identifizierung von Blutungen und Kalzifikationen
Die konkrete elektromagnetische Pulssequenz, die bei einer Untersuchung durchgeführt wird, bezeichnet man als MRT-Sequenz.
Aufbau
Ein Kernspintomograph ist grundsätzlich aus folgenden Komponenten aufgebaut:
- Hauptmagnet: Er erzeugt ein starkes, konstantes Magnetfeld. In der Regel handelt es sich um einen supraleitenden Magneten, gekühlt mit flüssigem Helium.
- Gradientenspulen: Sie erzeugen variable Magnetfelder zur Lokalisierung des MRT-Signals im Körper und ermöglichen die räumliche Kodierung der Signale.
- Hochfrequenzspulen: Sie senden und empfangen Radiowellen und regen die Protonen im Körper an. Empfangsspulen detektieren die daraus resultierenden Signale.
- Patientenliege: Für die Positionierung des Patienten im MRT-Gerät. Kann für verschiedene Körperregionen und Untersuchungen angepasst werden.
- Steuer- und Rechnersysteme: Sie steuern das MRT-Gerät und verarbeiten die empfangenen Signale. Man verwendet Algorithmen zur Erstellung von Bildern aus den Signalen.
- Gehäuse und Abschirmung: Dienen der Sicherheit und dem Schutz vor externen elektromagnetischen Feldern und verhindern die Interferenz externer Felder mit dem empfindlichen MRT-System.
Aussagekraft
Durch Kenntnis der unterschiedlichen Magnetisierungsverhalten verschiedener Gewebetypen und eine hohe Auflösung können vom Radiologen anhand der MRT-Bilder pathologische Veränderungen sehr gut erkannt oder ausgeschlossen werden. MRT-Bilder haben in der Regel eine recht hohe Aussagekraft.
Abhängig vom Gewebe im Zielgebiet sind meist bereits kleine Tumoren oder Entzündungsherde detektierbar. Die Darstellung und Differenzierung verschiedener Gewebe kann durch den Einsatz spezieller Kontrastmittel (v.a. Gadolinium) deutlich verbessert werden.
Untersuchung
Typisch für das MRT-Untersuchungsgerät ist die lange, relativ enge Röhre, in die der Patient auf einem Liegeschlitten hinein geschoben wird. Die Untersuchungen dauern verhältnismäßig lang, durchschnittlich 15-30 Minuten. Dabei gestalten die Enge und die vom MRT-Gerät erzeugten lauten Klopfgeräusche die Untersuchung leider für den Patienten nicht immer sehr angenehm.
Ein MRT-Gerät erzeugt ein äußerst starkes Magnetfeld. Ein solch starkes Magnetfeld ist maßgeblich für die Auflösung der zu erzeugenden MRT-Bilder. Die magnetische Flussdichte B wird in Tesla angegeben. Ein Tesla entspricht etwa der 20.000fachen Stärke des Erdmagnetfeldes. Die supraleitenden Magnetspulen neuer Tomographen erzeugen in der Regel eine magnetische Flussdichte von 1,5 bis 3 Tesla. In einzelnen, spezialisierten Zentren werden Geräte von bis zu 7 Tesla eingesetzt. Es existieren auch MRT-Geräte mit Flussdichten von 8 bis 9,4 Tesla (2020), die zurzeit jedoch noch nicht im klinischen Einsatz sind.
Metallische Gegenstände (dazu zählen u.a. mitgeführte Gegenstände wie Geldbeutel, EC-Karten, Schlüssel, aber auch Metallimplantate, Herzschrittmacher, Granatsplitter etc.) dürfen nicht in die Nähe eines MRT-Gerätes gebracht werden.
Neuere MRT-Geräte wie z.B. das Upright-MRT ermöglichen eine Untersuchung im Sitzen, Stehen oder diversen Funktionsstellungen. Im Gegensatz zu den zylindrisch gewickelten Magnetspulen von Röhrensystemen stehen die Magnetpole des Upright-MRT senkrecht.
Einsatz
Die MRT ist ein aufgrund ihrer sehr guten Qualität und ihrer breitgefächerten Möglichkeiten gerne eingesetztes diagnostisches Verfahen. Sie ist bei vielen klinischen Fragestellungen anderen bildgebenden Verfahren (z.B. Röntgen, Sonographie, Computertomographie, etc.) überlegen. Ein großer Nachteil sind jedoch die sehr hohen Kosten (ca. 4-mal teurer als Computertomographie oder 10-mal so teuer wie Röntgen), die lange Dauer und meist als eher unangenehm empfundene Untersuchung, sowie die Kontraindikation bei Herzschrittmachern oder anderen metallischen Implantaten, sodass die MRT nur bei gewissen Fragestellungen angezeigt ist. Die meisten Krankheitsbilder sind auch heute durch eine gute Anamnese, klinische Untersuchung, Blutuntersuchung und mithilfe von günstigeren und ähnlich aufschlussreichen bildgebenden oder anderen diagnostischen Verfahren gut abklärbar.
MR-Sequenzen
Abkürzung | Erklärung | Synonym |
---|---|---|
CE-FAST: Contrast Enhanced Fast Acquisition in the Steady State | GE mit SE-Anteil durch Ausnutzung der Gleichgewichtsmagnetisierung | PSIF, CE-GRASS |
CISS: Constructive Interference in Steady State | Zwei GE-Sequenzen, deren Einzelsignale konstruktiv addiert werden | |
CORE: Clinically Optimized Regional Exams | ||
CSFSE: Contiguous Slice Fast-acquisition Spin Echo | ||
CSI: Chemical Shift Imaging | ||
DANTE: Delays Alternating with Nutations for tailored excitation | Serie von Pulsen | |
DE-FLASH: Doppelecho – Fast Low Angle Shot | ||
DEFAISE: Dual Echo Fast Acquisition Interleaved Spin Echo | ||
DEFGR: Driven Equilibrium Fast Grass | ||
DESS: Double Echo Steady State | Doppel-GE-Sequenz, bei der die Signale zu einem addiert werden | |
EPI: Echo Planar Imaging | Multiple GE nach einer Anregung; oft alle Rohdaten in einem Pulszug | |
EPSI: Echo Planar Spectroscopic Imaging | ||
FADE: Fast Acquisition Double Echo | ||
FAISE: Fast Acquisition Interleaved Spin Echo | ||
FAST: Fast Acquired Steady state Technique | GE mit Ausnutzung der Gleichgewichtsmagnetisierung | FISP |
FEER: Field Echo with Even echo Rephasing | ||
FFE: Fast Field Echo | GE mit Kleinwinkelanregung | FISP |
FISP: Fast Imaging with Steady state Precession | GE mit Ausnutzung der Gleichgewichtsmagnetisierung | |
FLAIR: Fluid Attenuated Inversion Recovery | SE mit vorgeschaltetem 180°-Puls, lange Inversionszeit zur Unterdrückung des Flüssigkeitssignals | |
FLAME: Fast Low Angle Multi-Echo | ||
FLARE: Fast Low Angle with Relaxation Enhancement | ||
FLASH: Fast Low Angle Shot | GE mit Kleinwinkelanregung, üblicherweise mit HF-Spoiling | T1-FFE, Spoiled GRASS, SPGR |
GRASS: Gradient Refocused Acquisition in the Steady State | GE mit Ausnutzung der Gleichgewichtsmagnetisierung | FISP, FAST |
GRE: Gradienten-Echo | GE | |
HASTE: Half fourier-Acquired Single shot Turbo spin Echo | Turbo-SE mit Half-Fourier-Akquisition, alle Rohdaten in einem Pulszug | |
IR: Inversion Recovery | SE o.a. mit vorgeschaltetem 180°-Puls | |
IRABS: Inversion Recovery Fast Grass | ||
LOTA: Long Term Averaging | ||
MAST: Motion Artifact Suppression Technique | ||
MPGR: slice-MultiPlexed Gradient Refocused acquisition with steady state | ||
MP-RAGE: Magnetization Prepared Rapid Gradient Echo | 3D-Variante von Turbo-FLASH | |
MSE: Modified Spin Echo | ||
PCMHP: Phasenkontrast-Multi-Herzphasen | ||
PSIF: Precision Study with Imaging Fast (umgedrehtes FISP) | GE mit SE-Anteil durch Ausnutzung der Gleichgewichtsmagnetisierung | CE-FAST, CE-GRASS |
RARE: Rapide Acquisition with Relaxation Enhancement | SE mit mehreren 180°-Pulsen, pro Echo eine Rohdatenzeile | TSE, FSE |
RASE: Rapid Acquisition Spin Echo | ||
RASEE: Rapid Acquisition Spin Echo Enhanced | ||
SE: Spin-Echo | 90°–180°-Pulsfolge | |
SENSE: Sensitivity-Encoded | ||
SMASH: Simultaneous Acquisition of Spatial Harmonics | ||
SPGR: Spoiled Gradient Recalled Acquisition in the Steady State | Gradienten-Echo mit Spoilern | FLASH |
STE: Stimulated Echo | ||
STEAM: Stimulated Echo Acquisition Mode | Pulsfolge mit drei 90°-Pulsen | |
SPIR: Spectral Presaturation with Inversion Recovery | Fett-Unterdrückung | |
SR: Saturation Recovery Sequence | SE o.a. mit vorgeschaltetem 90°-Puls | |
SSFP: Steady State Free Precession | ||
STIR: Short-Tau Inversion Recovery | ||
TFL: Turbo Flash | ||
TGSE: Turbo Gradient Spin Echo | Turbo-SE-Sequenz, bei der die SE von GE umgeben sind | GRASE |
TIRM: Turbo-Inversion Recovery-Magnitude | Turbo-SE mit vorgeschaltetem 180°-Puls, Darstellung des Absolutsignals | |
TRUE-FISP: True Fast Imaging With Steady Precession | GE mit Ausnutzung der Gleichgewichtsmagnetisierung, alle Gradienten sym. | SSFP |
TRUFI: True Fast Imaging With Steady Precession | ||
Turbo-FLASH: Turbo Fast Low Angle Shot | FLASH mit vorgeschaltetem 180°-Puls (IR) oder 90°-Puls (SR) | |
TSE: Turbo-Spin-Echo | SE mit mehreren 180°-Pulsen, pro Echo eine Rohdatenzeile | FSE, RARE |
UTSE: Ultra-fast Turbo Spin-Echo | ||
VIBE: Volume Interpolated Breathhold Examination |
(Tabelle modifiziert nach wikipedia)
Varianten
Die Weiterentwicklung der Kernspintomographie hat zur Entwicklung weiterer Untersuchungsvarianten geführt, z.B. die:
- funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) zur Messung des Sauerstoffbedarfs von Geweben
- kinematische Magnetresonanztomographie (kMRI)
- dynamische MRT-Untersuchung des Herzens (Cardio-MRT)
- Beurteilung des Stoffwechsels von Geweben mithilfe der MR-Spektroskopie
- Darstellung der Gallen- und Pankreasgänge durch die MRCP
- gleichzeitige Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems, der Oberbauchorgane, sowie arterieller und venöser Gefäße mittels des "One-stop-shop"-MRT
- Darstellung von Nerven durch die MR-Neurografie
- Upright-MRT, die Untersuchungen im Sitzen, Stehen oder diversen Funktionsstellungen (z.B. des Rückens) ermöglicht
- signalverstärkte Hyperpolarisations-MRT (HP-MRT)