Diabetes insipidus
Synonyme: Wasserharnruhr, Diabetes spurius
Englisch: diabetes insipidus
Definition
Der Diabetes insipidus ist eine relativ selten vorkommende Hormonmangelerkrankung, die durch eine extrem hohe Harnausscheidung (Polyurie) von 5 bis 25 Litern pro Tag und ein dadurch entstehendes Durstgefühl (Polydipsie) charakterisiert ist.
Pathomechanismus
Beim Diabetes insipidus kommt es zu einem Ausfall der Osmoregulation. Diese Störung ist durch einen Mangel oder eine unzureichende Wirkung des antidiuretischen Hormons (ADH) gekennzeichnet, der auf einen Defekt des V2-Rezeptors (AVPR2) zurückzuführen ist. Dadurch werden in den distalen Nierentubuli und Sammelrohren keine Aquaporine eingebaut, was zur Folge hat, dass die Harnwege nicht wasserdurchlässig sind, so dass keine ausreichende Wasserrückresorption in den Nieren erfolgt.
Klassifikation
Nach Art der Erkrankung unterscheidet man drei verschiedene Typen:
- Diabetes insipidus centralis (Diabetes insipidus neurohormonalis): Eine Störung der Produktion von ADH infolge einer Schädigung von Hypothalamus oder Hypophyse führt zum Krankheitsbild des Diabetes insipidus centralis. Rund ⅓ der Fälle sind idiopathisch. Sekundäre Ursachen umfassen Neoplasien der Hypophyse sowie Traumen und Entzündungen (z.B. Meningitis, Vaskulitis oder Enzephalitis).
- Diabetes insipidus renalis: Kann ADH im Bereich von distalen Tubuli und Sammelrohren der Nieren infolge von Vergiftungen, Medikamenten, Niereninsuffizienz, Nierenbeckenentzündung oder aufgrund eines Gendefekts des X-Chromosoms seine Wirkung nicht entfalten, so spricht man von einem Diabetes insipidus renalis bzw. einem nephrogenen Diabetes insipidus.
- Diabetes insipidus mit Adipsie (Diabetes insipidus hypersalaemicus): Eine seltene Sonderform des Diabetes insipidus centralis, die auf eine Schädigung der Osmorezeptoren zurückzuführen ist. Wie beim klassischen Diabetes insipidus centralis zeigen Patienten ebenfalls zunächst keinen Anstieg von Vasopressin bei Kochsalzinfusion, reagieren aber auf Hypovolämie mit einem abrupten Anstieg der Urinosmolalität. Grund dafür ist die Freisetzung von Vasopressin durch die intakten Barorezeptoren.[1] Aufgrund der Kombination von Polyurie und Adipsie kann die Krankheit zu einer Hypernatriämie führen. Es kann auch eine Hyponatriämie auftreten, da die benötigte Flüssigkeitsmenge nicht abgeschätzt werden kann.
Symptome
Klinisch äußert sich der Diabetes insipidus durch die Symptomtrias aus:
- Asthenurie (Unvermögen der Nieren, konzentrierten Harn zu bilden)
- Polyurie
- Polydipsie
Aufgrund der oft ausgeprägten Nykturie kommt es bei Patienten auch zu Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit.
Diagnose
Labordiagnostik
Die Diagnose eines Diabetes insipidus kann mit Hilfe eines Durstversuches, eines Hickey-Hare-Tests oder eines Carter-Robbins-Tests gestellt werden. Um einen renalen von einem zentralen Diabetes insipidus zu unterscheiden, kann im Anschluss an den Durstversuch ein Desmopressin-Test erfolgen.
Der Durstversuch wird zunehmend durch die Bestimmung des Copeptins abgelöst. Die Konzentration von Copeptin korreliert eng mit der Konzentration von ADH und bildet diese zuverlässig ab. Im Gegensatz zu ADH ist Copeptin bei Raumtemperatur sehr stabil. In Studien konnte bereits eine diagnostische Überlegenheit der Copeptinbestimmung im Vergleich mit dem Durstversuch gezeigt werden.[2]
Ferner ermöglicht die Bestimmung von Copeptin die zuverlässige Differenzierung zwischen einem zentralen und einem renalen Diabetes insipidus. In Verbindung mit Serumnatrium als sogenannter CTproAVP-Index kann zusätzlich zwischen einem zentralen Diabetes insipidus und einer primären Polydipsie unterschieden werden.
Die Referenzwerte für die basale Copeptin-Serumkonzentration sind:
- Normbereich bzw. weitere Diagnostik nötig: 2,6 - 20 pmol/l
- < 2,6 pmol/l: Diabetes insipidus centralis
- > 20 pmol/l: Diabetes insipidus renalis
Ausschlaggebend ist der vom ausführenden Labor angegebene Referenzbereich.
Bildgebung
Zum Ausschluss eines Tumors als Auslöser eines sekundären zentralen Diabetes insipidus ist eine kraniale Bildgebung (MRT, CT) notwendig.
Differentialdiagnosen
- Osmotische Diurese bei Diabetes mellitus
- Neurotische Polydipsie
- Diabetes renalis
Therapie
Ein Diabetes insipidus ist insofern behandlungsbedürftig, als dass die Polyurie eine schwere Störung des Elektrolythaushalts und eine Dehydratation zur Folge hat.
- Diabetes insipidus centralis: Behandlung der Grunderkrankung beim sekundären Typ. Verabreichung von Desmopressin (Vasopressin-Analogon), nasal oder oral, ggf. kombiniert mit einem Thiaziddiuretikum.
- Diabetes insipidus renalis: Die Therapie gestaltet sich schwieriger. Die Gabe von Thiaziddiuretika fördert die Natriumausscheidung. Es kommt zu einer Abnahme des Blutvolumens und gesteigerten Rückresorption von Salzen und Wasser in der Niere.
Experimentelle Studien zeigen, dass Prostaglandine den Einbau von Aquaporinen-2 im Sammelrohr hemmen. Eine Verabreichung von NSAR (Ibuprofen, Indometacin) als Prostaglandinsynthesehemmer kann daher beim Diabetes insipidus renalis in Erwägung gezogen werden, um die Diurese zu vermindern. Hiervon sollte aber bei niereninsuffizienten und alten Patienten Abstand genommen werden.