Peer-Beratung
Synonyme: Peer-Support, Peer-Arbeit
Englisch: peer counseling, peer support
Definition
Peer-Beratung bezeichnet in der Psychiatrie eine Form der psychosozialen Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch Personen mit eigener Krisen- und Genesungserfahrung.
Hintergrund
Peer-Beratung hat ihren Ursprung in Selbsthilfeinitiativen von Betroffenen, die häufig aus einer kritischen Haltung gegenüber der klassischen psychiatrischen Versorgung heraus entstanden. Sie entwickelte sich insbesondere im angelsächsischen Raum sowie in den Niederlanden und gewinnt auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung.
Die Peer-Arbeit ist eng mit dem Trialog-Ansatz und dem Recovery-Konzept verbunden. Sie rückt persönliche Erfahrungen, Bewertungen und individuelle Strategien im Umgang mit psychischer Erkrankung in den Mittelpunkt und zielt auf Gleichberechtigung, Empowerment und gegenseitigen Respekt.
Wirkprinzipien
Laut dem Wirkmodell von Gillard et al. wirkt Peer-Beratung über drei zentrale Mechanismen:[1]
- Vertrauensvolle Beziehung auf Basis geteilter Erfahrungen
- Rollenvorbildfunktion im Sinne von gelebtem Recovery
- Brückenfunktion zwischen Betroffenen, professionellen Helfern und gesellschaftlicher Teilhabe
Weitere Studien zeigen, dass Peer-Support soziale Netzwerke stärkt, Selbststigmatisierung abbaut, Selbstvertrauen fördert und zur Entwicklung neuer Bewältigungsstrategien beiträgt.
Formen
In der Literatur werden drei Grundformen unterschieden:
| Kategorie | Beschreibung |
|---|---|
| Gegenseitige Hilfe ("Mutual Support") | Informelle, freiwillige Selbsthilfegruppen ohne hierarchische Struktur, basierend auf gemeinsamer Problemlage |
| Peer-Unterstützung in Betroffenen-geführten Diensten ("Consumer-Run Services") | Professionalisierte Peer-Arbeit mit definierter Rolle und Entlohnung, etwa in Beratungsstellen, Wohnprojekten oder aufsuchenden Diensten; solche Angebote entstanden ursprünglich als Alternativen zur klassischen Psychiatrie, sind heute aber häufig kooperativ eingebunden |
| Peers in klassischen psychiatrischen Einrichtungen ("Peer-delivered Services") | Integration von Peers in multiprofessionelle Teams, z.B. in Kliniken oder gemeindepsychiatrischen Diensten; birgt jedoch die Gefahr, dass die spezifischen Wirkfaktoren von Peer-Arbeit durch institutionelle Vorgaben abgeschwächt werden |
Qualifikationen
In Deutschland, Österreich und der Schweiz können unterstützende Personen die Zusatzqualifikation EX-IN ("Experienced Involvement") erwerben. EX-IN-Absolventen werden als "Experten durch Erfahrung" eingesetzt.
Limitationen
Peer-Beratung ist anspruchsvoll. Sie stellt oft eine Gratwanderung zwischen Empathie und notwendiger professioneller Distanz dar.
Literatur
- Cooper et al., The effectiveness, implementation, and experiences of peer support approaches for mental health: a systematic umbrella review, BMC Medicine, 2024
- Egmose et al., The effectiveness of peer support in personal and clinical recovery: systematic review and meta‑analysis, Psychiatr Serv, 2023
- AWMF: S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen, 2019
Einzelnachweise
- ↑ Gillard et al., Developing a change model for peer worker interventions in mental health services: a qualitative research study, Epidemiol Psychiatr Sci, 2015