Krisendienst
Synonym: Krisennetzwerk
Definition
Ein Krisendienst ist eine niedrigschwellige, professionelle Anlaufstelle für akute psychosoziale Kriseninterventionen. Er richtet sich an Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, z.B. bei suizidalen Gedanken, psychotischen Zuständen, familiären Eskalationen oder akuten Belastungen. Der Krisendienst bietet kurzfristige, oft auch rund um die Uhr verfügbare Hilfe.
Hintergrund
Psychische Krisen treten häufig plötzlich auf und können jede Person betreffen – unabhängig von psychiatrischen Vorerkrankungen. Krisendienste wurden eingerichtet, um eine Versorgungslücke außerhalb der Sprechzeiten niedergelassener Ärzte und psychotherapeutischer Praxen zu schließen. Sie bieten schnelle Hilfe ohne bürokratische Hürden und entlasten gleichzeitig Notaufnahmen sowie Rettungsdienste.
Abgrenzung
Krisendienste unterscheiden sich von der Notfallrettung und stationären Aufnahme, da sie oft frühzeitig intervenieren, bevor eine stationäre Behandlung erforderlich wird.
Auch zur Telefonseelsorge bestehen Unterschiede: Diese arbeitet anonym und meist ehrenamtlich, während Krisendienste professionell und fallführend arbeiten.
Zum Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) gibt es Überschneidungen, etwa in der Beratung psychisch erkrankter Menschen. Im Gegensatz zum Krisendienst ist der SpDi jedoch stärker in die kommunale Langzeitversorgung eingebunden, arbeitet oft fallbegleitend über längere Zeiträume und übernimmt auch Aufgaben des gesetzlichen Gesundheitsschutzes. Krisendienste hingegen sind auf akute Zuspitzungssituationen fokussiert, oft auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten.
Struktur und Aufgaben
Krisendienste sind regional organisiert. Die Trägerschaft liegt häufig bei freien Wohlfahrtsverbänden oder gemeindepsychiatrischen Verbünden, teilweise unter öffentlicher Mitfinanzierung. Typische Aufgaben sind z.B.:
- Telefonische Soforthilfe durch psychosozial oder psychiatrisch qualifiziertes Personal
- Persönliche Krisenberatung an regionalen Standorten
- Aufsuchende Hilfe bei akuter Gefährdungslage (regional unterschiedlich)
- Vermittlung in weiterführende Hilfen (z.B. Klinik, Sozialpsychiatrischer Dienst)
- Beratung für Angehörige, Freundeskreise und Fachpersonal
Regionale Beispiele
Bayern
Das bayerische Modell gilt bundesweit als eines der umfassendsten. Seit 2016 existieren flächendeckende Krisendienste mit einer zentralen, kostenlosen Rufnummer (0800 655 3000), die rund um die Uhr erreichbar ist. In akuten Fällen wird ein mobiles Fachteam eingesetzt, das auch vor Ort intervenieren kann. Das Angebot ist für Betroffene unabhängig vom Versicherungsstatus nutzbar.
- Weblink: Krisendienste Bayern
Berlin
Der Berliner Krisendienst bietet telefonische Hilfe und persönliche Gespräche in acht regionalen Beratungsstellen. Auch aufsuchende Hilfe ist bei akuter Gefährdung möglich. Der Dienst ist täglich rund um die Uhr telefonisch erreichbar (Tel. 030 390 63 00).
- Weblink: Berliner Krisendienst
Rechtliches
Die Verantwortung für Krisendienste liegt bei den Bundesländern. Eine bundesgesetzliche Regelung zu Struktur, Finanzierung und Qualitätsstandards gibt es bisher (2025) nicht. In Anlehnung an die US-amerikanische Krisennummer "988" wird derzeit (2025) über ein bundeseinheitliches System in Deutschland diskutiert, unter anderem im Kontext der Nationalen Suizidpräventionsstrategie.
Quelle
- AWMF online – S2k-Leitlinie "Notfallpsychiatrie". 2019