Gummihand-Illusion
Englisch: rubber hand illusion
Definition
Die Gummihand-Illusion bezeichnet ein experimentelles Phänomen aus der Kognitions- und Neurowissenschaft, bei dem Versuchspersonen das Gefühl entwickeln, eine künstliche Hand (z.B. aus Gummi) gehöre zu ihrem eigenen Körper.
Hintergrund
Das Phänomen wurde erstmals 1998 von Botvinick und Cohen beschrieben. Im klassischen Versuchsaufbau sitzt die Versuchsperson mit einer verdeckten eigenen Hand und einer sichtbaren Gummihand vor sich. Werden beide Hände synchron taktil stimuliert, entsteht häufig die subjektive Wahrnehmung, die Gummihand sei die eigene. Neurophysiologisch beruht die Illusion auf dem Versuch des ZNS, visuelle, taktile und propriozeptive Signale konsistent zu integrieren. Das Gehirn gewichtet dabei visuelle Informationen häufig stärker als propriozeptive, sodass es bei widersprüchlichen Signalen die visuelle Evidenz bevorzugt und die künstliche Hand als körpereigene interpretiert. Fehlende Synchronität oder visuelle Diskrepanz (z.B. falsche Position der Gummihand) verhindert oder reduziert das Auftreten der Illusion.
Beteiligte Hirnregionen sind insbesondere:
- Posteriorer parietaler Kortex (Integration sensorischer Informationen)
- Prämotorischer Kortex (Körperrepräsentation im Raum)
- Insula (subjektives Körpergefühl)
Die funktionelle Bildgebung zeigt eine Aktivitätszunahme in diesen Arealen während der Illusion.
Klinik
Die Gummihand-Illusion besitzt keine unmittelbare klinische Anwendung, dient jedoch als Modell zur Untersuchung von Körperwahrnehmungsstörungen. Relevanz besteht insbesondere in der Erforschung und Therapie von:
- Phantomschmerz nach Amputationen
- Neglect-Syndrom nach Schlaganfall
- Schizophrenen Störungen mit veränderter Körperwahrnehmung
- Depersonalisationsstörungen
Die Erkenntnisse aus der Illusion fließen in spiegelbasierte Therapien (z.B. Mirror Therapy) ein, bei denen visuelle Rückmeldungen zur Reorganisation des Körperschemas genutzt werden.
Epidemiologie
Die Gummihand-Illusion tritt bei der Mehrzahl gesunder Probanden unter standardisierten Bedingungen auf. Die Intensität und Latenz des Illusionserlebens zeigen interindividuelle Unterschiede. Faktoren wie Aufmerksamkeit, Suggestibilität und visuelle Dominanz können die Wahrnehmung beeinflussen.
Quellen
- Botvinick M, Cohen J (1998): Rubber hands ‘feel’ touch that eyes see. Nature 391, 756
- Ehrsson HH (2004): That’s my hand! Activity in premotor cortex reflects feeling of ownership of a limb. Science 305, 875–877