Wiederholungszwang
Synonym: Wiederholungsdrang
Englisch: repetition compulsion
Definition
Der Wiederholungszwang ist ein von Sigmund Freud eingeführter Begriff, der zwei Bedeutungen hat. Klinisch beschreibt er das unbewusste Wiederholen von unangenehmen Erlebnissen. Metapsychologisch bezeichnet er eine Triebkraft, die unabhängig von Lust oder Unlust zur Wiederholung drängt.
Klinisch-deskriptive Bedeutung
Menschen setzen sich wiederholt gleichartigen Situationen oder Erlebnissen aus, die unangenehm sind. Diese unbewussten Wiederholungen stammen oft aus der Kindheit oder aus traumatischen Erfahrungen im Erwachsenenleben. Der Begriff bezieht sich auf Verhaltensweisen, Beziehungskonstellationen und wiederholte Träume. Besonders deutlich wird der Wiederholungszwang in der Beziehung des Analysanden zu seinem Psychoanalytiker im Rahmen der Übertragung. Die psychodynamische Ursache ist meist die Wiederkehr des Verdrängten.
Beispiel
Eine Person, die in ihrer Kindheit missbräuchlich oder vernachlässigende Eltern hatte, findet sich immer wieder in Partnerschaften mit ähnlicher Dynamik. Trotz der unangenehmen Erfahrungen sucht sich die betroffene Person unbewusst Partner, die diese Muster wiederholen.
Metapsychologische Bedeutung
Metapsychologisch ist der Begriff umstritten, da er einen spezifischen psychischen Mechanismus notwendig macht, der den Wiederholungsphänomenen zugrunde liegen soll. Der Wiederholungszwang wird als eine Triebkraft verstanden, welche die Wiederholung um ihrer selbst willen sucht, unabhängig von der damit verbundenen Lust oder Unlust.
Klassische Auffassung
Freud verwendete den Begriff erstmals klinisch-deskriptiv in "Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten" (1914). Patienten reproduzieren Verdrängtes nicht als Erinnerung, sondern als Tat, ohne zu wissen, dass sie es wiederholen. In "Jenseits des Lustprinzips" (1920) beschreibt Freud den Wiederholungszwang als eine Kraft, die über das Lustprinzip hinausgeht und elementarer und triebhafter ist. Beobachtbare Manifestationen sind wiederholte posttraumatische Träume, unangenehme Kindheitserlebnisse im Spiel, der "Schicksalszwang" und Übertragungsphänomene.
Kritik
Kubie und Schur argumentieren, dass neurotische Wiederholungen durch bekannte Mechanismen erklärt werden können, ohne das Lustprinzip in Frage zu stellen.[1][2] Inderbitzin und Levy kritisieren das Konzept in Bezug auf die Behandlungstechnik, da es den konflikthaften Anteil der Wiederholungen verschleiert.[3]
Loewald schlägt vor, von einem Wiederholungszwang zu sprechen, ohne das Lustprinzip zu verlassen. Er unterscheidet zwischen passiver Wiederholung und aktiver Wiederholung, die eine "Wiederholung als Neuschöpfung" darstellt.[4]
Bedeutung bei Traumatisierungen
Besondere Aufmerksamkeit findet der Wiederholungszwang in Verbindung mit Traumatisierungen. Man beschreibt ihn als Symptom der posttraumatischen Belastungsstörung. Die Wiederholungsphänomene werden als Folge mangelhafter Affektregulation verstanden.
Quellen
- ↑ Kubie, L. (1939). A critical analysis of the concept of a repetition compulsion. International Journal of Psychoanalysis, 20, 390–402.
- ↑ Schur, M. (1973). Das Es und die Regulationsprinzipien des psychischen Geschehens. Frankfurt/M.: Fischer.
- ↑ Inderbitzin, L. and Levy, S. T. (1998): Repetition compulsion revisited: implications for technique. Psychoanalytic Quarterly 67, 32–53.
- ↑ Loewald, H. (1986). Überlegungen zur Wiederholung und zum Wiederholungszwang. In ders., Psychoanalyse. Aufsätze aus den Jahren 1951–1979. (S. 65–80) Stuttgart: Klett-Cotta.
Literatur
- Mertens, Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe, 5. Auflage, Stuttgart: Kohlhammer, 2022
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