Spiegeltest
Englisch: mirror test, MSR
Definition
Der Spiegeltest ist ein verhaltenspsychologisches Verfahren zur Prüfung, ob ein Individuum sein Spiegelbild als Abbild des eigenen Körpers erkennt.
Hintergrund
Der Test wurde 1970 von Gordon G. Gallup Jr. etabliert, der damit Schimpansen untersuchte. Er zeigte erstmals, dass einige Primaten ihr Spiegelbild als "Selbst" interpretieren. Seither hat sich der Spiegeltest in der Entwicklungspsychologie des Menschen und in der vergleichenden Kognitionsforschung etabliert. In der klinischen Neuropsychologie spielt er eher eine theoretische als eine diagnostische Rolle.
Durchführung
Zunächst wird das spontane Verhalten vor einem Spiegel beobachtet (sog. Baseline). Danach wird am getesteten Individuum eine unauffällige, geruchs- und taktilneutrale Markierung sowie idealerweise eine weniger auffällige "Kontrollmarke" angebracht. Anschließend wird erneut das Verhalten vor dem Spiegel beobachtet.
Erkennt das Individuum die Markierung im Spiegel und untersucht oder entfernt sie gezielt am eigenen Körper, gilt dies als Hinweis auf visuelle Selbstrepräsentation. Kontrollen gegen Zufallstreffer sowie Kontingenzprüfungen, etwa mit zeitversetzten Videoaufnahmen, erhöhen die Aussagekraft.
Klinische Bedeutung
Humanmedizin
In der Entwicklungspsychologie des Menschen dient der Test der Beurteilung der Reifung von Selbstrepräsentation im Kleinkindalter. Eine zuverlässige Selbstidentifikation lässt sich in der Regel ab dem 15. - 24. Lebensmonat nachweisen.
In der klinischen Praxis wird der Spiegeltest nicht als Standarddiagnostik eingesetzt, wird aber teils ergänzend nach positiven Befunden im Rahmen der Demenz- oder Delirdiagnostik angewendet (z.B. nach positivem Spiegelzeichen oder der Rubber-Hand-Illusion).
Veterinärmedizin
Im Bereich der Tierkognition dient der Test dem Vergleich zwischen verschiedenen Arten hinsichtlich visueller Selbstwahrnehmung.
Große Menschenaffen wie Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans gelten vielfach als "positiv", während die Befunde bei Gorillas uneinheitlich sind. Es existieren zudem positive Einzelfall- oder Gruppenbefunde bei Elefanten, großen Tümmlern und Elstern.