Recruitment
Synonym: Lautheitsausgleich
Definition
Das Recruitment - zu deutsch "Lautheitsausgleich" - ist ein psychoakustisches Phänomen, das bei Erkrankungen im Innenohr auftritt.
Physiologie
Die äußeren Haarzellen des Innenohrs modulieren die Schallwahrnehmung. Sie verstärken leisen Schall und dämpfen lauten Schall. Auf diese Weise können normal Hörende aufgrund der Schallverstärkung auch leise Töne wahrnehmen, empfinden andererseits aber laute Geräusche nicht so schnell als unangenehm. Der Recruitment-Test untersucht die Funktionen dieses Lautheitsausgleich bei Schwerhörigen.
Positves Recruitment
Von einem positiven Recruitment spricht man, wenn bei Schwerhörigkeit trotz einer Heraufsetzung der Hörschwelle die Lautstärkeempfindung bei größeren Reizstärken im Vergleich zur gesunden Seite unverändert bleibt. Wird ein Ton gleicher Frequenz in unterschiedlicher Lautstärke angeboten, erscheint mit zunehmender Lautstärke der Lautheitsunterschied zwischen beiden Ohren geringer und verschwindet schließlich vollständig. Es werden dabei mehr Nervenfasern "rekrutiert", das Signal wird lauter empfunden und die Unbehaglichkeitswelle vorzeitig erreicht.
Die Schwerhörigkeit wird auf dem kranken Ohr also nur für relativ leise Töne und Geräusche empfunden. Laute Umgangssprache aus nächster Nähe werden nahezu normal, bei einseitiger Schwerhörigkeit auch auf beiden Ohren gleich laut empfunden.
Bei einem positiven Recruitment handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um eine kochleäre Hörstörung, also eine Innenohrschwerhörigkeit.
Negatives Recruitment
Beim negativen Recruitment ändert sich dagegen die Lautstärkeempfindung derart, dass ein überschwelliger Ton angegeben werden muss. Da der Patient zum Lautheitsausgleich unfähig ist, werden auch laute Töne immer leiser wahrgenommen als vom Normalhörenden. Die wahrscheinlichste Ursache der Schallempfindungsschwerhörigkeit ist dann eine retrokochleär bzw. neuronale Störung.
Hörtests
In der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde gibt es spezielle Hörtests, um das Vorhandensein eines Recruitments zu untersuchen. Dazu zählen:
- Fowler-Test: Der Fowler-Test beurteilt den subjektiven Lautheitsausgleich beider Ohren mit unterschiedlicher Hörschwelle. Voraussetzung dafür ist ein asymmmetrisches Gehör mit einer Differenz von ≥ 30 dB. Dabei wird ein Audiometer mit Wechseltaktverfahren verwendet und der Patient aufgefordert, nach Gabe von kurzen Tönen anzugeben, wann er auf beiden Ohren gleich laut empfindet. Untersucher gibt dabei zunächst überschwellige Lautstärken zum schlechteren Ohr ab, regelt dann auf dem bessern Ohr nach, bis der Patient subjektiv seitengleiche Lautheit empfindet.
- SISI-Test: SISI steht für "short increment sensitivity index". Dieser Test untersucht die Erkennbarkeit kleiner Lautstärkeschwankungen. Es werden dabei kleine Intensitätsunterschiede (increment) im Pegelbereich der Erregung innerer Haarzellen detektiert. Der Patient wird aufgefordert, nach Gabe von Tönen, die für kurze Zeit lauter werden, anzugeben, wann er diesen Sprung hört. Dieser Sprung ist meist am Anfang der Untersuchung deutlich, später schlechter zu erkennen. Bei Erkennungswerten zwischen 60-100% liegt ein positives Recruitment vor, bei Werten zwischen 0-15% ein negatives Recruitment. Im Übergangsbereich ist keine klare Aussage möglich.
- Lüscher-Test: Der Lüscher-Test ähnelt dem SISI-Test und arbeitet ebenfalls mit Intensitätsunterschieden. Die Unterschiedsschwelle nimmt mit zunehmendem Pegel zu. Dabei wird der Patient aufgefordert anzugeben, wann der gehörte Ton in seiner Intensität zu schwanken beginnt. Hört der Patient einen Intensitätsunterschied von ≤ 1 dB liegt ein kochleärer Schaden vor, bei einem Intensitätsunterschied ≥1 dB, liegt der Schaden wahrscheinlich retrokochleär.