Atlasfraktur
Englisch: atlas fracture
Definition
Als Atlasfraktur bezeichnet man die Fraktur des 1. Halswirbels (Atlas).
Eine Sonderform der Atlasfraktur ist die Jefferson-Fraktur.
Epidemiologie
Etwa 1 bis 2 % der Wirbelfrakturen bei Erwachsenen und 3,5 % derjenigen bei Kindern sind Atlasfrakturen.[1] Das Altersmittel liegt bei etwa 70 Jahren. Männer sind häufiger betroffen.[2] Weitere belastbare epidemiologische Daten fehlen bislang (2025).
Ätiologie
Zur Atlasfraktur kommt es insbesondere durch eine axiale Krafteinwirkung, z.B. bei Hochrasanztraumata. Beispiele sind Verkehrsunfälle oder ein Kopfsprung in flaches Wasser.
In der Mehrzahl der Fälle ist eine Atlasfraktur mit weiteren Traumafolgen vergesellschaftet, insbesondere anderen HWS- bzw. Wirbelsäulenfrakturen, Schädelfrakturen oder intrakraniellen Blutungen.[2]
Klassifikation
Atlasfrakturen werden nach der Gehweiler-Klassifikation in 5 Typen eingeteilt.
| Typ | Art und Lokalisation der Fraktur | Stabilität |
|---|---|---|
| Typ I | Fraktur des vorderen Bogens | stabil |
| Typ II | Fraktur des hinteren Bogens | stabil |
| Typ III | Kombinierte Fraktur des vorderen und hinteren Bogens (Jefferson-Fraktur)
|
III a: stabil
III b: instabil |
| Typ IV | isolierte Fraktur der Massa lateralis atlantis | stabil |
| Typ V | isolierte Fraktur des Processus transversus | stabil |
Cave: Es kann zur Verletzung der Arteria vertebralis kommen. Diese muss insbesondere bei Typ IV Fraktur ausgeschlossen werden.
Klinik
Mögliche Symptome sind bewegungsabhängige Nackenschmerzen und eine Bewegungseinschränkung im Sinne einer Nackensteifigkeit. Oft findet sich ein Muskelhartspann.[1][3]
- Schluckstörungen durch retropharyngeale Schwellung oder Hämatombildung
- Kompression von C2 mit Okzipitalisneuralgie, seltener Kompression von Hirnnerven (Foramen-jugulare-Gruppe mit IX, X, XI; Nervus hypoglossus)
- Vertebralarteriendissektion
- Rückenmarkskompression; bei isolierten Atlasfrakturen jedoch eher selten, da diese zum Auseinanderweichen und damit zur Erweiterung des Spinalkanals neigen
Diagnostik
Hinweise auf eine translatorisch instabile Atlasfraktur können sich bereits im a.p.-Röntgen mit Dens-axis-Zielaufnahme durch den geöffneten Mund finden. Eine sichere Diagnosestellung und Charakterisierung der Frakturlinie sowie eine Darstellung von Begleitverletzungen ist jedoch nur per CT der Halswirbelsäule möglich.[4]
Zur Darstellung des Ligamentum transversum atlantis sowie zur Abklärung von Weichteilverletzungen oder Gefäßdissektionen kann ergänzend eine MRT erfolgen. Bei diagnostischer Unsicherheit kann die Frakturstabilität mithilfe unter Durchleuchtung angefertigter Funktionsaufnahmen geklärt werden.[4]
Therapie
Stabile Atlasfrakturen werden konservativ durch Ruhigstellung in einer HWS-Orthese behandelt. Im Normalfall kommt hierbei eine Philadelphia-Krawatte zum Einsatz, welche bis zum radiologischen Nachweis der knöchernen Ausheilung (meist etwa 6 bis 12 Wochen) getragen werden sollte.[3][4] Bei stark dislozierten Gehweiler-3a- oder -4-Frakturen sowie bei instabilen Frakturen, bei denen eine operative Versorgung nicht möglich ist, kann auch ein Halofixateur angelegt werden.[4]
Instabile Atlasfrakturen werden operativ stabilisiert. Mögliche Techniken sind:[4]
- Atlasosteosynthese mithilfe je einer Zugschraube in jeder Massa lateralis. Konnektion beider Schrauben über eine Querstrebe. Operativer Zugang transoral, dorsal oder kombiniert möglich.
- Atlantoaxiale Fusion, d.h. Stabilisierung des Atlas durch Verbindung mit dem Axis
- OP nach Goel-Harms mithilfe von verstrebten Pedikelschrauben
- OP nach Magerl mithilfe zweier transartikulärer Schrauben, die aus der Pars interarticularis heraus nach schräg kranio-medial durch das Zygapophysealgelenk HWK 1/2 eingedreht werden, sowie einer dorsalen Cerclage um die Processus spinosi
Literatur
- Badke. Konservative Therapie von Verletzungen der Halswirbelsäule. OP-JOURNAL. 34: 134-137. 2018
- Pschyrembel – Atlasfraktur, abgerufen am 15.02.2024
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Kakarla et al., Atlas Fractures, Neurosurgery, 2010.
- ↑ 2,0 2,1 Fiedler et al., Epidemiology and management of atlas fractures, European Spine Journal, 2020.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Keel, Bastian, Atlasfrakturen. In: Largiadèr et al (Hrsg.), Checkliste Chirurgie, 11 Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2016.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Hoffmann und Kandziora, Behandlung der Atlas- und Dens-axis-Frakturen, Trauma und Berufskrankheit, 2015.