Tarsaltunnelsyndrom
Englisch: tarsal tunnel syndrome
Definition
Als Tarsaltunnelsyndrom bezeichnet man zwei Engpasssyndrome des Fußes mit Kompression durchtretender Nerven.
- ICD-10-Code: G57.5
Einteilung
Es werden zwei Formen des Tarsaltunnelsyndroms unterschieden:
- hinteres (posteriores, mediales) Tarsaltunnelsyndrom: Engpasssyndrom im Tarsaltunnel unterhalb des Retinaculum musculorum flexorum pedis mit Kompression des Nervus tibialis
- vorderes (anteriores) Tarsaltunnelsyndrom: Engpasssyndrom unterhalb des Retinaculum extensorum inferius oder superius mit Kompression des Nervus fibularis profundus
Der Begriff Tarsaltunnelsyndrom wird häufig synonym für die posteriore Variante verwendet, da nur hier der eigentliche Tarsaltunnel betroffen ist.
Epidemiologie
Beide Syndrome werden als selten eingeschätzt.[1][2] Inzidenzdaten sind nicht verfügbar.
Ätiologie
Vorderes Tarsaltunnelsyndrom
Eine Kompression des Nervus fibularis profundus unter den Retinacula extensorum ist möglich durch:[1][3]
- eng anliegendes Schuhwerk, enge Schnürsenkel (häufigste Ursache)
- direktes Trauma
- Fußfehlstellungen
- Osteophyten (z.B. bei OSG-Arthrose)
- Synovialzysten ("Ganglien") des OSG
- Tumorkompression (z.B. Schwannome)
- Unterschenkelödeme
- Thrombosen der Arteria dorsalis pedis
Hinteres Tarsaltunnelsyndrom
Mögliche Ursachen einer Enge im Tarsaltunnel sind:[2]
- traumatische Schädigung im OSG (häufigste Ursache; z.B. Sprunggelenksfraktur, Supinationstrauma mit Banddistorsion)
- chronische OSG-Instabilität, z.B. bei schlecht verheilter Bandruptur
- Sportarten mit starker Dorsalextension
- Calcaneus-Osteotomie
- Fußfehlstellungen, z.B. Rückfußvalgus
- Malformationen oder variköse Erweiterungen der Arteria und Vena tibialis posterior
- entzündliche Weichgewebsschwellung, z.B. Tendovaginitis bei rheumatoider Arthritis
- Osteophyten, tibiale Exostosen
- akzessorische Muskeln (z.B. Musculus flexor digitorum accessorius longus) oder Ossikel
- Synovialzysten
- Tumorkompression (z.B. Schwannome, Lymphome)
- Unterschenkelödeme
Etwa 20% der Fälle sind idiopathisch.[3]
Symptomatik
Vorderes Tarsaltunnelsyndrom
Insbesondere nachts kommt es zu neuralgiformen Schmerzen im ersten Intermetatarsalraum. Begleitend können Sensibilitätsstörungen vorliegen. Je nach Schwere der Einengung besteht der Schmerz in Ruhe (insbesondere nachts) oder erst bei Belastung (z.B. beim Gehen).[3]
Hinteres Tarsaltunnelsyndrom
Im Vordergrund stehen Schmerzen und Sensibilitätsstörungen (z.B. Parästhesien, Kältegefühl) am medialen Fußrand und an der Fußsohle. Häufig wird der Schmerz durch Belastung verstärkt, aber auch nächtliche Schmerzen sind möglich (insb. bei dorsalflektierter Fußposition).
Bei ausgeprägter Kompression kann es auch zu Paresen der kurzen Fußmuskeln (z.B. Musculus abductor hallucis, Musculus abductor digiti minimi) kommen. Klinisch wird dies an einer gestörten Zehenspreizung und an einem Krallenfuß erkennbar. Bei einer Chronifizierung kann die vom Nerven abhängige Fußmuskulatur atrophieren.
Diagnostik
Klinisch hinweisgebend ist eine Druckdolenz und ein Hoffmann-Tinel-Zeichen an der jeweiligen Kompressionsstelle.
Im Elektromyogramm lassen sich kompressionsbedingte Erregungsmuster nachweisen, die Nervenleitungsgeschwindigkeit des Nervus tibialis ist herabgesetzt. Engpässe und deren Ursachen lassen sich per Ultraschall oder MRT darstellen. Bei diagnostischer Unsicherheit kann auch eine diagnostische Infiltration mit Lokalanästhetika erfolgen.
Ergänzend kann gelegentlich eine verminderte Schweißsekretion der Fußsohle nachgewiesen werden (Ninhydrin)
Differenzialdiagnosen
Beim anterioren Tarsaltunnelsyndrom ist differenzialdiagnostisch an ein (chronisches) Kompartmentsyndrom zu denken. Eine Polyneuropathie kann beide Syndrome imitieren und sollte in jedem Fall ausgeschlossen werden.
Therapie
Grundsätzlich sollten, sofern möglich, auslösende Faktoren beseitigt werden. Zur Supportivtherapie können Analgetika mit Wirksamkeit bei neuropathischem Schmerz (z.B. Gabapentin, Pregabalin) eingesetzt werden.
Die Therapie beider Kompressionssyndrome ist zunächst konservativ. Dabei sind möglich:[3]
- temporäre Ruhigstellung in Neutralstellung mittels Orthese
- Infiltrationsbehandlung mit Lokalanästhetika, eventuell auch mit Glukokortikoiden (keine wiederholte Anwendung bei möglicher Sehnenatrophie)
- bei Fußdeformitäten Schuheinlagen
Versagt die konservative Therapie, ist eine Operation indiziert. Hier erfolgt eine Spaltung des jeweiligen Retinaculum, eventuell verbunden mit einer Neurolyse und/oder Entfernung komprimierender Strukturen.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 DiDomenico, Masternick, Anterior Tarsal Tunnel Syndrome. Clinics in Podiatric Medicine and Surgery, 2006.
- ↑ 2,0 2,1 Fortier et al., An Update on Posterior Tarsal Tunnel Syndrome. Orthopedic Reviews, 2022.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 Dohle, Rammelt (Hrsg.), Expertise Fuß und Sprunggelenk. 1. Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2021.
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