Reziprozität
Synonym: reziprokes Verhalten
Definition
Reziprozität bezeichnet die Gegenseitigkeit bzw. Wechselseitigkeit im sozialen Austausch.
Soziologie
Reziprozität wird als ein universelles soziales Prinzip von Menschen angesehen. Durch das reziproke Handeln entstehen Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen. Dabei unterscheidet man verschiedene Formen:
- direkte (echte) Reziprozität (Tit-for-tat): klassischer Tauschhandel; dabei differenziert man zwischen drei Phasen:
- Eröffnungsgabe
- Annahme der Gabe
- Ungewissheitsphase: Der Partner, der die Eröffnungsgabe machte, wartet auf die Gegengabe
- Gegengabe
- indirekte Reziprozität: altruistisches Verhalten gegenüber einem nichtverwandten Individuum wird zwar nicht direkt erwidert, erhöht jedoch die Reputation und somit den sozialen Status des Gebers.
- generalisierte Reziprozität: Eine Person erhält eine Leistung, ohne dass eine direkte Gegengabe erwartet werden kann; evtl. erfolgt diese zu einem späteren Zeitpunkt von jemand anderem, beispielsweise in Generationsbeziehungen von Familien.
- reziproke Rollenbeziehungen: Bestimmte Positionen definieren sich durch einen Gegenpart, z.B. ist die Rolle des Vater durch die Existenz eines Kindes definiert.
- Reziprozität der Perspektive: Möglichkeit, den Standpunkt eines anderen einzunehmen
- starke Reziprozität: Kooperatives Handeln wird altruistisch belohnt, umgekehrt wird von Normen abweichendes Verhalten altruistisch bestraft; dieses Verhalten findet sich auch in Fällen, bei denen die Wahrscheinlichkeit gering ist, dieser Person erneut zu begegnen (reziproker Altruismus) und weiterhin Reputation keine Rolle spielt (indirekte Reziprozität).
Reziprokes Verhalten wird in der sozialkognitiven Entwicklung i.d.R. im Alter von 6 bis 12 Jahren erreicht. Hierbei entwickelt sich ein Verständnis der Subjektivität; das eigene Handeln wird aus dem Blickwinkel einer anderen Person reflektiert. Es ist eine Voraussetzung für soziale Beziehungen, da die Person erkennt, dass die Bedürfnisse beider Partner koordiniert werden müssen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.
Biologie
Reziprokes Verhalten wird auch im Tierreich beobachtet. Insbesondere der reziproke Altruismus lässt sich evolutionsbiologisch als Selektionsvorteil verstehen. Obwohl der Altruismus unmittelbar mehr Kosten als Nutzen einbringt, wirkt sich dieses Verhalten langfristig positiv auf den Fortpflanzungserfolg des Individuums bzw. mit ihm verwandter Individuen aus.
Klinik
Klassischerweise lässt sich bei Betroffenen der Autismus-Spektrum-Störung ein mangelndes reziprokes Verhalten beobachten.
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