Erweiterter Geheimnisschutz
Synonym: verlängerter Geheimnisschutz
Definition
Erweiterter Geheimnisschutz ist die Ausweitung der ärztlichen Schweigepflicht auf die Mitarbeiter einer Behörde, die von Daten einer Person ohne legalen Aufenthaltsstatus Kenntnis erlangen. Das spielt vor allem bei der Kostenerstattung der medizinischen Notfallversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus durch das Sozialamt eine Rolle.
Hintergrund
Nach Schätzungen leben 200.000 bis 600.000 Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus ("ohne Papiere") in Deutschland, die meist aus Angst vor der Abschiebung den Arztbesuch hinauszögern und erst im Notfall medizinische Hilfe beanspruchen.
§4 und §6 des Asylbewerberleistungsgesetzes sieht vor, dass Behandlungen bei akuten oder schmerzhaften Erkrankungen, sowie Leistungen, die zum Erhalt der Gesundheit unerlässlich sind, über das Sozialamt abgerechnet werden können. Dies gilt auch für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus.
Bei geplanten Behandlungen muss der Patient vorher einen Behandlungsschein beim Sozialamt beantragen. Das Sozialamt ist nach §87 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet, in diesem Fall der Ausländerbehörde Daten von nicht aufenthaltsberechtigten Personen zu übermitteln, was zur Abschiebung führen kann.
Bei Notfällen ist ein Behandlungsschein nicht nötig und der verlängerte Geheimnisschutz greift. Das bedeutet, dass der behandelnde Arzt oder das Krankenhaus die Behandlung beim Sozialamt abrechnen lassen kann und das Sozialamt nicht verpflichtet ist, die entsprechenden Daten weiterzugeben, da die Betroffenen Leistungen einer schweigepflichtigen Person in Anspruch genommen haben und ihre Daten nicht selbst dem Sozialamt übermitteln.
Rechtsgrundlage
Die geseztliche Grundlage des erweiterten Geheimnisschutzes ist §88 Absatz 2.4.0 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz in der Fassung von 2009.
Probleme
- In vielen Krankenhäusern und Sozialämtern ist die Vorschrift über den verlängerten Geheimnisschutz nicht bekannt, sodass im Zweifelsfall Daten an die Ausländerbehörde weitergegeben werden.
- Eine Verwaltungsvorschrift ist weniger bindend als ein Gesetz und kann von den Bundesländern unterschiedlich ausgelegt werden.
- Auch ein medizinischer Notfall wird in unterschiedlichen Kommunen verschieden definiert.
- Für die Erstattung der Behandlungskosten muss das Krankenhaus oder der Arzt beweisen, dass der Patient bedürftig war. Dafür sind viele Unterlagen (z.B. Mietvertrag oder Kontoauszüge) nötig, die ein Mensch ohne Papiere nicht liefern kann. So wird der Anspruch auf Kostenrückerstattung nur selten durchgesetzt.
- Ärzte, Krankenhausverwaltungen und Mitarbeiter des Sozialamts benötigen für dieses Verfahren hohe Sachkenntnis und sind oft durch den Verwaltungsaufwand überfordert.
- §11 Absatz 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes ermöglicht einen Datenabgleich zwischen Ausländerbehörde und Sozialamt. Es ist bisher nicht geklärt, inwiefern der "verlängerte Geheimnisschutz" in diesem Fall gilt.
Quellen
- §88 Abs. 2.4.0 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG (2009); §1, §4-§6 AsylbLG; §87 AufenthG; §203 StGB
- "Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis" Faltblatt der Bundesärztekammer (2013)
- Fallsammlung der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität "Krank und ohne Papiere" (April 2018)
- Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Diakonie
- Deutsches Institut für Menschenrechte: "Frauen, Männer und Kinder ohne Papiere in Deutschland- Ihr Recht auf Gesundheit" (2008)
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