Impact-Faktor
Synonyme: Journal Impact-Faktor, JIF, IF
Englisch: impact factor, journal impact factor
Definition
Der Impact-Faktor, kurz IF, ist eine errechnete, bibliometrische Kennzahl zur quantitativen Bewertung von wissenschaftlichen Zeitschriften. Er gibt an, wie oft im Durchschnitt die Artikel der Fachzeitschrift in einem bestimmten Jahr zitiert wurden.
Hintergrund
Der IF wurde in den 1960er Jahren vom Institute for Scientific Information (ISI) eingeführt und wird heute jährlich von Clarivate Analytics (ursprünglich Thomson Reuters) innerhalb der Journal Citation Reports für Zeitschriften im Science- und Social Sciences Citation Index berechnet
Berechnung
Der Impact-Faktor für ein Bezugsjahr Y wird wie folgt berechnet: Die Anzahl der Zitate im Jahr Y von Artikeln, die in den zwei vorangegangenen Jahren publiziert wurden, wird ins Verhältnis zur Gesamtzahl der veröffentlichen Artikel in diesen zwei Jahren gesetzt.
Beispiel: Eine Fachzeitschrift hat in den Jahren 2012 und 2013 genau 478 Artikel publiziert. Diese wurden im darauffolgenden Jahr (2014) insgesamt 2937 mal zitiert. Daraus ergibt sich für den IF 2014 ein Wert von 6,14.
Beispiele
Zeitschriften im medizinischen Bereich mit aktuell (2025) sehr hohem IF sind:
| Rang | Journal | IF (2023) |
|---|---|---|
| 2 | CA: A Cancer Journal for Clinicians | 503,1 |
| 3 | The New England Journal of Medicine (NEJM) | 96,2 |
| 4 | The Lancet | 98,4 |
| 5 | JAMA – Journal of the American Medical Association | 55,0 |
| 5 | The BMJ (British Medical Journal) | 42,7 |
Bedeutung
Genau genommen ist der Impact-Faktor nur eine quantitative Bewertung. Der Wert wird aber auch zur Qualitätsbemessung von Zeitschriften herangezogen und auf einzelne Artikel übertragen. Je höher der IF einer Zeitschrift ist, als desto wichtiger und hochwertiger gilt sie.
Der IF wird in der wissenschaftlichen Praxis in vielfältiger Weise verwendet, obwohl er ursprünglich nicht zur Bewertung individueller Forscher oder Artikel gedacht war. Eine der klassischen Anwendungen ist die bibliothekarische Entscheidung über den Erwerb von Zeitschriftenabonnements. Bibliotheken nutzen den IF als Indikator für die Sichtbarkeit und Bedeutung einer Zeitschrift innerhalb eines Fachgebiets, insbesondere bei begrenztem Budget. I
n zunehmendem Maße findet der IF jedoch auch Eingang in die Bewertung wissenschaftlicher Karrieren. Forschungsinstitutionen, Berufungskommissionen, Drittmittelgeber und Universitäten greifen auf Journalmetriken wie den IF zurück, um die Publikationsleistung von Wissenschaftlern zu beurteilen. Besonders in kompetitiven Förderverfahren – etwa bei DFG-Anträgen, ERC-Grants oder Habilitationsverfahren – wird häufig die Anzahl der Publikationen in "hochrangigen" Zeitschriften (hoher IF) als Qualitätsmaß verwendet.
An einigen medizinischen Fakultäten sind ausreichende Veröffentlichungen, bemessen am Impact-Faktor, Voraussetzung für die Zulassung zur Habilitation[1] oder für die Erlaubnis, eine kumulative Dissertation zu verfassen. In Deutschland wird der IF u. a. im Rahmen der Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) herangezogen, z.B. bei der Vergabe von Forschungsbudgets auf Fakultätsebene. Auch bei kumulativen Dissertationen spielt die Platzierung der Einzelpublikationen in Journalen mit hohem IF eine Rolle. Diese Praxis ist weit verbreitet, obwohl sie zunehmend in der Kritik steht.
Kritik
Trotz seiner weiten Verbreitung ist der Impact-Faktor ein methodisch und inhaltlich problematisches Maß. Die Hauptkritik richtet sich dabei auf mehrere Schwächen des IF:
- Verzerrung durch Ausreißer: Der IF ist ein arithmetischer Mittelwert, der stark durch wenige hochzitierte Artikel beeinflusst wird. In vielen Zeitschriften werden 10–20 % der Artikel für 80–90 % aller Zitate verantwortlich gemacht. Das bedeutet, dass der durchschnittliche Artikel deutlich weniger zitiert wird, als der IF suggeriert.
- Disziplinäre Inhomogenität: Die Vergleichbarkeit des IF zwischen Fachgebieten ist stark eingeschränkt. So liegt der mittlere IF in der Molekularbiologie oder Onkologie häufig deutlich höher als in der Radiologie oder der klinischen Gynäkologie. Grund sind u.a. unterschiedliche Zitationskulturen, Veröffentlichungsfrequenzen und Halbwertszeiten von Zitierungen.
- Manipulationsanfälligkeit: Herausgeber und Verlage können den IF gezielt beeinflussen. Beispielsweise werden „non-citable items“ wie Editorials, News oder Letters häufig in großer Zahl veröffentlicht, da sie im Zähler (Zitate) berücksichtigt, im Nenner (Artikelanzahl) aber nicht gezählt werden. Auch Selbstzitierungsstrategien und sogenannte „Zitationskartelle“ (gegenseitiges Zitieren befreundeter Journals) können den IF künstlich erhöhen.
- Fehlanwendung auf Individualebene: Der IF ist eine Journal-, keine Artikel- oder Autorenmetrik. Dennoch wird er oft als indirektes Maß für die Qualität einzelner Publikationen oder die Leistungsfähigkeit von Forschenden verwendet. Diese Praxis ist fachlich nicht haltbar. Die San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) warnt ausdrücklich vor dieser Fehlinterpretation.
- Fehlinterpretation als qualitativer Wert: Häufiges Zitieren muss nicht unbedingt bedeuten, dass es sich um besonders hochwertige Ergebnisse handelt. Artikel, die Spezialgebiete behandeln, werden tendenziell seltener zitiert. Trotz niedrigem IF können die veröffentlichten Ergebnisse aber eine große Bedeutung für das jeweilige Fachgebiet haben.
- Des Weiteren wird die Datenbank Web of Science kommerziell betrieben und die Kriterien, die eine Zeitschrift erfüllen muss, um indexiert zu werden, sind wenig transparent.
Alternativen
Angesichts der methodischen Schwächen und Fehlanwendungen des Impact-Faktors wurden in den letzten Jahren mehrere alternative bibliometrische Kennzahlen entwickelt. Diese verfolgen das Ziel, wissenschaftliche Sichtbarkeit, Reichweite oder Qualität differenzierter, fairer oder feldspezifischer abzubilden. Dazu zählen:
- Eigenfactor Score (EF): wurde 2007 von Bergstrom et al. entwickelt. Er berücksichtigt nicht nur die absolute Anzahl der Zitationen, sondern gewichtet diese nach der "Wichtigkeit" der zitierenden Zeitschriften. Eine Zitierung aus einem renommierten Journal wie Nature zählt also mehr als eine aus einer weniger bekannten Fachzeitschrift.
- Article Influence Score: Der Article Influence Score (AIS) ist eng mit dem Eigenfactor verwandt, normiert den Eigenfactor aber auf die Anzahl der Artikel in der Zeitschrift. Dadurch entsteht eine durchschnittliche Gewichtung pro Artikel – vergleichbar mit dem Impact-Faktor, aber unter Berücksichtigung der Zitationsherkunft. Der Wert 1,0 entspricht dem weltweiten Durchschnitt. Werte über 1,0 zeigen überdurchschnittlichen Einfluss. Besonders nützlich bei Vergleich von Review- und Originalzeitschriften
- 5-Jahres-Impact-Faktor: eine Variante des klassischen IFs, die einen längeren Betrachtungszeitraum einbezieht. Dadurch werden Zitationsverläufe geglättet, besonders in Fächern mit langsamerem Zitationsverhalten (z.B. Geisteswissenschaften oder Radiologie).
- SCImago Journal Rank (SJR): basiert auf Daten der Scopus-Datenbank (Elsevier) und nutzt einen algorithmischen Ansatz ähnlich dem PageRank-Prinzip von Google. Zitationen aus hochrangigen Journals haben ein größeres Gewicht als solche aus weniger sichtbaren Quellen. Berücksichtigt das Zitationsverhalten des gesamten Fachgebiets
- Source Normalized Impact per Paper (SNIP): wurde am Centre for Science and Technology Studies (CWTS) der Universität Leiden entwickelt. Er setzt die Zitationsrate einer Zeitschrift in Relation zur Zitationsdichte des jeweiligen Fachgebiets. Dadurch wird ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Disziplinen ermöglicht. Sehr gut geeignet für interdisziplinäre Vergleiche.
- Altmetrics: erfassen die Rezeption wissenschaftlicher Inhalte außerhalb des klassischen Zitierwesens, z.B. in sozialen Medien (Twitter/X, Facebook, Reddit), Zeitungen und Online-Medien, Blogs, Wikipedia-Artikeln oder Patenten. Dieser Ansatz ist besonders im Bereich der translationalen Forschung oder bei öffentlichkeitswirksamen Themen interessant. Er ist jedoch leicht manipulierbar und nicht standardisiert.