Schwangerschaftsabbruch
Synonyme: Abtreibung, Interruptio graviditatis, Interruptio, Abruptio graviditatis, Abruptio
Englisch: abortion
1. Definition
Unter einem Schwangerschaftsabbruch versteht man die Beendigung einer Schwangerschaft, entweder durch einen medikamentös eingeleiteten Abort, oder durch eine instrumentell-operative Ausräumung der Gebärmutter.
2. Juristische Aspekte
2.1. Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs
Rechtlich, wird der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland durch den § 218 StGB geregelt:
(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder
2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.
(3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.
Die (vorsätzliche) Tötung der Leibesfrucht steht also nach der vollständigen Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter (Nidation) in Deutschland unter Strafe.
2.2. Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs
Der Schwangerschaftsabbruch ist gem. § 218a Abs. 1 StGB dann straflos, wenn er
- von der Frau verlangt wird,
- die Frau qualifiziert nachweist, sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) beraten lassen zu haben,
- der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
- der Abbruch innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgt.
Weitere Ausnahmen von der Strafbarkeit sind im Falle spezieller medizinischer Indikationen (§ 218a Abs. 2 StGB) oder vorausgegangener Straftaten, die zur Schwangerschaft geführt haben (§ 218a Abs. 3 StGB), vorgesehen.
2.3. Abschaffung des § 218 StGB
Die Abschaffung des § 218 StGB wird seit längerer Zeit intensiv diskutiert. In einem fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf vom 14.11.2024 wurde eine vollständige Streichung der §§ 218 ff. StGB vorgeschlagen. Stattdessen sollte das SchKG um Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch ergänzt werden. Zu dem Gesetzesentwurf fand am 10.2.2025 eine Expertenanhörung statt. Infolge einer Empfehlung des Rechtsausschusses wird über den Entwurf in der 20. Legislaturperiode aber wohl nicht mehr abgestimmt.
Die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs wurde auch durch eine von der damaligen Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission geprüft. Sie betonte in ihrem Abschlussbericht einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, bis wann er in der mittleren Schwangerschaftsphase den Schwangerschaftsabbruch erlaube.
3. Indikationen
In folgenden Ausnahmefällen ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar, immer vorausgesetzt eine Einwilligung der Schwangeren liegt vor, und ein approbierter Arzt führt die Abtreibung durch:
3.1. Fristbegrenzte Schwangerschaftsabbrüche auf Wunsch
Die Betroffene entscheidet sich für einen Abbruch und kann ein Beratungsgespräch an einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (z.B. Pro Familia) nachweisen. Das Beratungsgespräch muss mindestens 3 Tage vor dem Abbruch stattgefunden haben. Der Abbruch muss innerhalb der ersten 12 Wochen ab Empfängnis (14. SSW post menstruationem) erfolgen. Dieser Ausnahmefall ist zwar gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts "rechtswidrig", jedoch nicht strafbar.
3.2. Kriminologische Indikation
Ist nach ärztlicher Erkenntnis die Schwangerschaft Folge einer Sexualstraftat (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung) und der Betroffenen ein Austragen der Schwangerschaft nicht zuzumuten, bleibt ein Abbruch innerhalb der ersten 12 Wochen (14. SSW post menstruationem) ebenfalls straffrei.
3.3. Medizinische Indikation
Der Abbruch bleibt straffrei, wenn durch die Schwangerschaft Gefahr für das Leben oder Gefahr für eine schwerwiegende Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren besteht. Eine zeitliche Frist besteht nicht.
4. Durchführung/Methoden
Der Schwangerschaftsabbruch kann
- medikamentös oder
- chirurgisch durchgeführt werden.
4.1. Kürettage
Die Kürettage war früher die gängigste Methode eines Abbruches. Nach Aufdehnung des Muttermundes durch Hegarstifte erfolgt die Ausschabung von Fruchtsack, Embryo und Gebärmutterschleimhaut durch eine Kürette (scharfer Löffel).
4.2. Vakuumkürettage bzw. Absaugung
Bei der Vakuumkürettage erfolgt nach Aufdehnung des Muttermundes durch Hegarstifte ein Absaugen der Frucht durch eine Vakuumkürette. Anschließend wird sonografisch kontrolliert. Besteht der Verdacht auf verbliebene Reste der Schwangerschaft (z.B. Plazentareste) kann eine manuelle Nachkürettage erfolgen.
4.3. Prostaglandine
Früher hat man durch die alleinige Gabe von Prostaglandinen die Wehen ausgelöst, und somit eine Spontanausstossung erreichen können. Dabei handelte es sich um eine langwierige und schmerzhafte Prozedur, die in dieser Form heute nicht mehr durchgeführt wird.
4.4. Mifepriston und Prostaglandine
Durch den Progesteron-Rezeptor-Antagonisten Mifepriston wird eine Öffnung des Muttermundes bewirkt. Die Entwicklung des Embryos wird gestoppt, die Gebärmutterschleimhaut löst sich. Zwei Tage danach erhält die Schwangere Prostaglandine (z.B. Misoprostol), entweder in Tablettenform oder als Zäpfchen. Sie lösen Gebärmutterkontraktionen aus. Die Frucht wird ausgestossen. Dies geschieht in der Arztpraxis oder nach Instruktion des Arztes zu Hause („Home Use" ). Die Kombination von Mifepriston und nachfolgender Prostaglandin-Applikation ist heute in Europa bis zur 9. SSW zugelassen. Es ist aber auch die Standardmethode bei Abbrüchen nach der 14. SSW.
Schwangerschaftswoche | Methode der Wahl |
---|---|
5.-9. SSW | Mifepriston + Prostaglandin |
6-14. SSW | Kürettage, Absaugung |
nach der 14. SSW | Mifepriston + Prostaglandine |
5. Komplikationen
5.1. Körperliche Komplikationen
Die aktuelle Leitlinie zum Thema Schwangerschaftsabbrüche bezieht sich auf mögliche Risiken durch Abbrüche im ersten Trimenon. Fachgerecht durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche führen nur in seltenen Fällen zu ernsten Komplikationen. Schwangerschaftsabbrüche zu einem früheren Zeitpunkt der Schwangerschaft sind insgesamt mit einer niedrigeren Komplikationsrate verbunden.
Komplikationen, die bei operativen Abbrüchen auftreten können, sind beispielsweise Verletzungen der Gebärmutter und der Zervix. Infektionen im kleinen Becken sind bei operativen Eingriffen insgesamt häufiger als bei medikamentösen Methoden. Bei medikamentösen Methoden kommt es hingegen häufiger zu starken Blutungen und das Risiko ist größer, dass die Schwangerschaft durch den Eingriff nicht beendet wird.
5.2. Psychische Komplikationen
Es existieren diverse Studien, die untersucht haben, ob sich Schwangerschaftsabbrüche negativ auf die Psyche auswirken. Aufgrund von methodischen Problemen der Studien sowie ethischer und politischer Aspekte ist die Beurteilung der Daten häufig kontrovers.
Man geht davon aus, dass eine Minderheit von Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch psychische Probleme aufweisen. Es existieren jedoch keine genauen Zahlen, wie viele Frauen von psychischen Problemen oder Erkrankungen nach einem Schwangerschaftsabbruch betroffen sind. Darüber hinaus ist unklar, ob mögliche psychische Probleme durch den Schwangerschaftsabbruch oder durch andere beeinflussende Faktoren bedingt werden.
Es scheint keine Unterschiede bei der psychischen Verarbeitung von operativen oder medikamentösen Abbrüchen zu geben. Der wichtigste Risikofaktor für psychische Probleme nach einem Abbruch sind zuvor bestehende psychische Probleme. Weitere Faktoren sind beispielsweise fehlende soziale Unterstützung, Druck aus dem sozialen Umfeld einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder häusliche Gewalt. Es existieren keine Belege, dass junge Frauen oder Minderjährige eine höhere Rate an psychischen Problemen nach Schwangerschaftsabbrüchen aufweisen.
Nach einem Schwangerschaftsabbruch können sich bei den Betroffenen diverse emotionale Reaktionen wie Erleichterung, Trauer oder Schuldgefühle zeigen.
6. Rhesusprophylaxe
Auch nach einem Schwangerschaftsabbruch muss bei allen rhesusnegativen Frauen eine Rh-Prophylaxe mit Anti-D-Immunglobulin durchgeführt werden.