Sensomotorik
Englisch: sensory-motor coupling, sensorimotor function
Definition
Als Sensomotorik bezeichnet man das koordinierte Zusammenspiel des sensorischen und motorischen Systems, also von Wahrnehmungen und Bewegungen. Dieses Zusammenspiel ermöglicht Lebewesen, ihre Reaktionen an Umweltreize anzupassen und zielgerichtet zu handeln. Es ist grundlegend für viele Alltagsfunktionen, von der Körperhaltung bis zur Sprache, und spielt eine zentrale Rolle in der neurophysiologischen Entwicklung.
Hintergrund
Sensorische Reize (z.B. visuell, auditiv, propriozeptiv, vestibulär oder taktil) werden im Zentralnervensystem verarbeitet und mit motorischen Programmen gekoppelt. Daraus resultieren fein abgestimmte Reaktionen wie Muskelkontraktionen, Gleichgewichtsreaktionen oder gezielte Bewegungen.
Ein funktionierende Sensomotorik ist die Basis für:
- Haltungskontrolle
- Koordination
- Sprache und Artikulation
- Fein- und Grobmotorik
- Automatisierung von Bewegungsabläufen
Entwicklung
Die sensomotorische Entwicklung beginnt bereits pränatal und verläuft stufenweise, wobei einige Muster angeboren sind, andere hingegen erst erlernt werden müssen. Dazu zählen:
- Reflexe (z.B. Moro-Reflex, Greifreflex)
- Tonusentwicklung
- Körperwahrnehmung und Orientierung
- Integration sensorischer Reize
- Übergang zu gezielten Bewegungen
Eine gestörte sensomotorische Entwicklung kann Auswirkungen auf Gleichgewicht, Koordination, Aufmerksamkeit und Lernverhalten haben.
Sprachentwicklung
Die Sensomotorik ist wichtig für den Spracherwerb. Nur durch akustisches Feedback und differenzierte Bewegungskoordination der Artikulationsorgane (Lippen, Zunge, Kehlkopf) können Laute korrekt gebildet und angepasst werden. Menschen mit Hörstörungen zeigen deshalb oft Einschränkungen in der Lautbildung und Sprachmelodie.
Klinik
Störungen der Sensomotorik machen sich durch Defizite in der Bewegungsplanung und -ausführung bemerkbar, z.B. durch Dyspraxie oder Dysmetrie. Sie treten bei verschiedenen neurologischen Störungen auf, u.a. bei bzw. nach
- neurodegenerativen Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit
- multipler Sklerose
- Schlaganfällen
- Schädel-Hirn-Traumata
Diagnostik
Sensomotorische Störungen lassen sich im Rahmen einer neurologischen Untersuchung feststellen.
Therapie
Therapeutisch werden gezielt sensorische Reize eingesetzt, um motorische Funktionen durch Nutzung der neuronalen Plastizität zu verbessern oder zu reorganisieren. Diese Rehabilitationsmaßnahmen werden in der Regel von Physiotherapeuten oder Logopäden durchgeführt. Mögliche Therapieformen sind u.a.:
Literatur
- Haus, K.-M. (2022). Sensomotorik, in: Neurophysiologische Behandlung bei Erwachsenen und Kindern (Kapitel 4). Springer.
- Ayres, A. J. (2016). Bausteine der kindlichen Entwicklung: Sensorische Integration verstehen und anwenden - Das Original in moderner Neuauflage. Springer.