Forensisches Interview
Synonyme: nichtsuggestive Befragung, nonsuggestive Befragung
Englisch: forensic interview
Definition
Bei einem forensischen Interview handelt es sich um eine Form der Befragung, die vermeidet, Antworten vorzugeben und somit das Ziel hat, im juristischen Kontext (v.a. vor Gericht) als Beweismittel wirksam zu sein.
Hintergrund
Im medizinischen Kontext werden forensische Interviews in der Regel verwendet, um Opfer von (sexualisierter) Gewalt nach dem Geschehenen zu befragen. Das Ziel ist die Gewinnung von möglichst gerichtsverwertbaren Informationen. Das forensische Interview ist damit klar von der medizinischen Anamneseerhebung oder einem therapeutischen Gespräch abzugrenzen.
Gemeinsamkeiten zur Anamnese bestehen insofern, als dass auch die Anamnese der Informationsgewinnung dient. Ein wichtiger Unterschied liegt darin, dass im Gegensatz zur Anamnese das forensische Interview nicht vertraulich bleibt und bereits bei der Erhebung der Informationen die Weitergabe vorgesehen ist.
Das forensische Interview muss ebenfalls von einem aussagepsychologischen Gutachten abgegrenzt werden, das wesentlich mehr Aspekte umfasst, sich aber u.a. eines forensischen Interviews zur Informationsgewinnung bedienen kann.
Vorlagen
Für forensische Interviews sind verschiedene Leitlinien entwickelt worden, um auch nicht aussagepsychologisch geschultem Fachpersonal Hilfestellung bei der Durchführung einer nicht-suggestiven Befragung zu geben. Ein Protokoll, zu dem aktuelle wissenschaftliche Evidenz vorliegt, ist das Investigative Protocol des National Institute of Child Health and Human Development.[1][2]
Kontroverse
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) und die Deutsche Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) bewerten die Instrumente zur Durchführung forensischer Interview kritisch. Sie sehen die Gefahr, dass bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die von Gewalt betroffen sind, der Fokus zu stark auf ein Strafverfahren gelegt wird, statt auf akute Hilfe, Intervention und Therapie.[3]
Quellen
- ↑ Benia et al. The NICHD Investigative Interview Protocol: A Meta-Analytic Review, Journal of Child Sexual Abuse, 2015
- ↑ Noeker, Franke. Structured interviewing of children in suspected child endangerment cases: The German version of the revised NICHD Investigative Interview Protocol, Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 2018
- ↑ S3-Leitlinie Kindesmisshandlung, - missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik (Kinderschutzleitlinie), Stand 2022
Artikel wurde in Kooperation mit der Medizinischen Kinderschutzhotline erstellt. |