Viskosität
Synonym: Zähflüssigkeit
Englisch: viscosity
Definition
Die Viskosität ist ein Maß für die Zähigkeit einer Flüssigkeit bzw. eines Fluids. Je größer die Viskosität ist, desto dickflüssiger, d.h. weniger fließfähig ist das Fluid, weil seine Teilchen stärker aneinander gebunden und damit unbeweglicher sind. Man spricht daher auch von der inneren Reibung.
Grundlagen
Das Prinzip der Viskosität wird in der Physik anhand des Kartenblattmodells beschrieben. Nach diesem bestehen Flüssigkeiten gedanklich aus verschiedenen, übereinanderliegenden Schichten, die gegeneinander bewegt werden. Eine Kraft, die parallel zur obersten Schicht angreift, verschiebt diese gegen die darunterliegende Schicht, wofür ein Reibungswiderstand überwunden werden muss. Dieser Reibungswiderstand wird durch den Viskositätskoeffizienten η wiedergegeben.
- η = Viskositätskoeffizient in Ns/m2 oder Pas
- τ = Schubspannung (Kraft, die auf die Fläche wirkt); τ = F / A
- D = Schergeschwindigkeit (räumliche Veränderung der Flussgeschwindigkeit; D = dv/-dx)
Wenn der Viskositätskoeffizient einer Flüssigkeit für alle Schubspannungen konstant ist, handelt es sich um ein Newtonsches Fluid; dies wird als idealviskoses Verhalten bezeichnet. Liegt kein idealviskoses Verhalten vor, liegt eine sogenannte Strukturviskosität vor: Der Viskositätskoeffizient ändert sich in Abhängigkeit der vorliegenden Schubspannung oder Scherzeit. Folgende Fälle können hierbei unterschieden werden:
- pseudoplastisch: Eine zunehmende Schubspannung führt zu einer abnehmenden Viskosität, da fadenförmige Moleküle durch die Scherung gestreckt werden, sie dadurch weniger "verknäult" sind und der Flüssigkeit weniger Widerstand entgegensetzen (Beispiele: Gelatine, Methylcellulose).
- plastisch: Die Fließfähigkeit setzt erst oberhalb einer bestimmten Schubspannung auf, die als Fließgrenze bezeichnet wird. Es benötigt eine gewisse Schubspannung, um die zusammenhängende Gerüststruktur aufzubrechen, weshalb dieses Verhalten häufig bei Gelen zu beobachten ist. Oberhalb des Fließpunktes kann die Flüssigkeit ideal- oder strukturviskos sein.
- dilatant: Mit zunehmender Schubspannung nimmt die Viskosität zu, da durch die Bewegung Partikel in Kontakt miteinander kommen und so den Widerstand für die Flüssigkeit erhöhen ("Scherverzähnung"). Beispiele sind Suspensionen und Dispersionen mit hohem Feststoffanteil wie Zinkpaste.
- thixotrop: Die Viskosität nimmt mit zunehmender Scherspannung ab (pseudoplastisch), baut sich aber wieder auf, wenn die Spannung nicht mehr anliegt, da sich die Gerüststruktur wieder aufbaut (z.B. Siliciumdioxid-Gel).
- rheopex: Die Viskosität nimmt mit zunehmender Scherbeanspruchung zu (dilatant), nimmt aber wieder ab, wenn die Spannung nicht mehr anliegt.
- Rheodestruktion: irreversible Verflüssigung eines plastischen Körpers bei Scherung (z.B. Gelatinegele, Wackelpudding).
Auch Gase verfügen über eine Viskosität. Im Gegensatz zu Flüssigkeiten nimmt sie bei diesen mit steigender Temperatur zu, da sich die Teilchen dann gegenseitig mehr beeinflussen. Sie kann über eine modifizierte Form der Arrhenius-Gleichung berechnet werden.
Messung der Viskosität
Die Viskosität einer Flüssigkeit kann mit verschiedenen Methoden gemessen werden.
Kapillarviskosimeter
Ein Kapillarviskosimeter besteht aus einer dünnen Kapillare. Die Flüssigkeit wird eingefüllt und herausfließen gelassen. An der Kapillare sind zwei Messmarken angebracht und die Zeit, welche der Flüssigkeitsspiegel benötigt, um von der oberen zur unteren Messmarke zu sinken, wird gemessen. Die beiden Messmarken repräsentieren ein genau abgemessenes Volumen. Über das Hagen-Poiseuille-Gesetz, das eine Proportionalität zwischen Viskosität und der Fließgeschwindigkeit darstellt, kann der Viskositätskoeffizient berechnet werden:
- V = Flüssigkeitsvolumen
- t = Zeit
- Δp = hydrostatische Druckdifferenz zwischen den Kapillarenden
- r = Radius der Kapillare
- l = Länge der Kapillare
- η = Viskositätskoeffizient
Nach Umformung und Einführung einer Gerätekonstanten k, die für das verwendete Kapillarviskosiemter spezifisch ist, kann der Viskositätskoeffizient vereinfacht mit berechnet werden, wobei ρ die Dichte der Flüssigkeit ist.
Es gibt verschiedene Arten an Kapillarviskosimetern. Am häufigsten wird das Ubbelohde-Kapillarviskosimeter verwendet, welches ein Belüftungsrohr und ein zweites Flüssigkeitsreservoir aufweist, damit der Druck an den Enden der Kapillare identisch ist und die Flüssigkeit gleichmäßiger fließt. Der Messfehler, der durch den hydrostatischen Druck entsteht, kann durch die Hagenbach-Couette-Korrektion ausgeglichen werden.
Kugelfallviskosimeter
Das Kugelfallviskosimeter besteht aus einem leicht schräg gelagerten Zylinder, der mit der zu untersuchende Flüssigkeit befüllt wird. Oben wird eine Kugel in die Flüssigkeit gegeben und die Zeit gemessen, welche sie benötigt, um in der Flüssigkeit eine definierte Strecke zurückzulegen. Mathematische Grundlage hierfür ist die Stokes-Gleichung, welche die Sinkgeschwindigkeit eines Körpers in einer Flüssigkeit beschreibt:
- vp = Sedimentationsgeschwindigkeit
- ρp = Dichte der Feststoffes
- ρf = Dichte der Flüssigkeit
- r = Radius der Feststoffkugel
- g = Erdbeschleunigung
- η = Viskosität der Flüssigkeit
Messung von Strukturviskosität
Die bisher dargestellten Methoden eignen sich nur dazu, die Viskosität idealviskoser Flüssigkeiten zu bestimmen. Zur Messung strukturviskoser Flüssigkeiten wird ein Rotationsviskosimeter verwendet. In der klassischen Form besteht es aus einem inneren und äußeren Zylinder, zwischen denen sich die zu testende Flüssigkeit befindet. Je nach Messprinzip wird der innere (Searle-Prinzip) oder äußere (Couette-Prinzip) Zylinder rotiert. Anhand des aufzuwendenden Drehmoments kann der Viskositätskoeffizient bestimmt werden:
mit:
- M = Drehmoment
- = Fläche des Zylindermantels
- ω = Winkelgeschwindigkeit
- = Scherspalt (Distanz zwischen innerem und äußerem Zylinder)
Durch die Rotation der Zylinder wird eine definierte Schubspannung erzeugt. Auf diese Weise kann der Viskositätskoeffizient für verschiedene Schubspannungen gemessen werden.
Eine andere Variante des Rotationsviskosiemters ist die Platte-Kegel-Einrichtung, bei der sich ein rotierender Kegel über einer feststehenden Platte befindet. Die zu testende Substanz wird in den Spaltwinkel zwischen Kegel und Platte gegeben. Vorteil dieses Aufbaus ist, dass auf diese Weise auch hochviskose Substanzen vermessen werden können und weniger Prüfsubstanz benötigt wird.
Pharmazeutische Bedeutung
Die Viskosität ist eine Produkteigenschaft, die in der pharmazeutischen Technologie zur Charakterisierung flüssiger und halbfester Arzneiformen verwendet wird.
Bei der Herstellung und Verarbeitung flüssiger Arzneiformen nimmt die Viskosität Einfluss auf das Verhalten beim Mischen, den Transport durch Leitungen, Pumpen und Düsen sowie auf andere Prozesse wie Homogenisierung und Nassvermahlung. Auch die Applikation wird durch sie beeinflusst, z.B. das Durchfließen einer Injektionsnadel. Darüber hinaus ist die Viskosität ein wichtiger Faktor für die physikalische Stabilität disperser Systeme (siehe Stokes-Gleichung).
Bei halbfesten Systemen nimmt die Viskosität ebenfalls Einfluss auf die Herstellung des Arzneimittels (Mischen, Abfüllen in Tuben oder Zäpfchenformen) sowie die Entleerung des Aufbewahrungsgefäßes (z.B. Tube). Bei der Anwendung beeinflusst die Viskosität die Spreitung und Haftfähigkeit auf der Haut sowie die Freisetzung von Arzneistoffen aus der Grundlage.
Aus diesem Grund wird die Viskosität häufig optimiert. Bei manchen Suspensionen wird ein thixotropes Verhalten angestrebt, bei welchem eine zähflüssige Suspension sich nach dem Schütteln verflüssigt. In der flüssigen Form kann sie verabreicht werden. Während der Lagerung steigt die Viskosität wieder, sodass die suspendierten Teilchen langsamer sedimentieren und die physikalische Stabilität erhöht wird.
Eine Erhöhung der Viskosität mit viskositätserhöhenden Hilfsstoffen kann aus verschiedenen Gründen durchgeführt werden: Zum einen kann eine Erhöhung der Zähflüssigkeit die physikalische Stabilität erhöhen, indem sie z.B. die Sedimentation in Suspensionen verringert. Eine weitere Anwendung ist die Verringerung der Freisetzung eines Arzneistoffes: Wird die Viskosität einer Injektionslösung erhöht, wird der Wirkstoff langsamer aus ihr freigesetzt, sodass das Arzneimittel weniger häufig appliziert werden muss (siehe Depotpräparat).
Hilfsstoffe, die zur Erhöhung der Viskosität eingesetzt werden, sind u.a. Polyvinylpyrrolidon (PVP), Celluloseether (Hypromellose, Methylcellulose, Hydroxyethylcellulose u.a.), Tragant und Bentonit.
Literatur
Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017
Siehe auch: Blutviskosität, Fluidität